Geisterhauch (German Edition)
großen Unschuldsaugen und einer wehenden Robe, die wie Rauch aussah. Wie sie das mit einer Tätowiernadel hinbekam, war mir ein Rätsel.
Sie setzte die Sonnenbrille auf und sah mich seufzend an. »Ja, Licht, keine Sonneneruption. Eines Tages werde ich bei deinem Anblick noch blind.« Wie gesagt, Pari konnte Auren sehen, und meine war echt hell.
Sie nahm eine Wasserflasche vom Tresen und setzte sich auf den kaputten Zahnarztstuhl, indem sie ihre Stiefel rechts und links auf zwei Kisten und die Ellbogen auf die Knie stützte. Ich nahm mir ein Wasser aus dem kleinen Kühlschrank und wandte mich ihr zu. Ich musste an mich halten, um angesichts ihrer unfeinen Haltung nicht laut loszuprusten.
»Also, was gibt’s, Schnitterin?«
»Ich kann die Taschenlampe nicht finden!«, schrie der Typ aus dem Hinterzimmer.
»Hat sich erledigt«, rief sie zurück und grinste mich an. »Ein Hohlkopf, aber ein hübscher.«
Ich nickte. Sie stand auf Hübsche. Wer nicht?
»Okay, du gibst dich also völlig gelassen«, sie musterte mich mit erfahrenem Blick, »dabei bist du ungefähr so ruhig wie ein Huhn auf dem Schlachtblock. Was ist los?«
Verdammt, sie war echt gut. Ich beschloss, gleich zur Sache zu kommen. »Hast du mal einen Dämon gesehen?«
Sie stockte. »Du meinst so ein Höllenvieh?«
»Ja.«
»Mit Feuer und Schwefel?«
»Ja.«
»Mit –«
»Ja«, fiel ich ihr ins Wort. Bei ihren Beschreibungen wurde mir mulmig im Magen. Und wenn ich mir vorstellte, dass so einer Reyes folterte … nicht, dass der Mistkerl es nicht ein bisschen verdient hätte. Trotzdem.
»Gibt’s die denn?«
»Ich nehme das als Nein«, sagte ich, als meine Hoffnung zerstob. »Es ist leider so, dass wahrscheinlich ein paar hinter mir her sind, und ich hatte gehofft, du könntest mir etwas darüber erzählen, was ich noch nicht weiß.«
»Mist.« Sie blickte nachdenklich zu Boden, dann sah sie mich plötzlich aufmerksam an. Zumindest dachte ich das, aber durch die Sonnenbrille war das schlecht zu erkennen. »Moment, Dämonen sind hinter dir her?«
»Quasi.«
Nachdem sie mich eine Weile angestarrt hatte, lange genug, um als kulturell unsensibel gelten zu können, ließ sie den Kopf hängen. »Ich habe noch keinen gesehen«, sagte sie leise, »aber ich weiß, dass wenn ich nachts Bumsen höre, das nicht immer die Prostituierte von nebenan ist, dass es furchterregende Wesen gibt, die man nie wieder vergisst.«
Ich neigte fragend den Kopf. »Wie meinst du das?«
»Als ich vierzehn war, habe ich mit Freundinnen eine Pyjamaparty veranstaltet, und wie viele in dem Alter kamen wir auf die Idee, eine Séance abzuhalten.«
»Okay.« Das hörte sich nicht gut an.
»Also gingen wir in den Keller und legten mit dem spiritistischen Getue los, um einen Geist aus dem Jenseits zu beschwören, und da fühlte ich etwas. Eine Präsenz.«
»Den Geist eines Toten?«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf und dachte zurück. »Glaube ich zumindest nicht. Die fühlen sich kalt an. Dieses Wesen war ganz anders. Es strich an mir entlang wie ein Hund.« Unwillkürlich griff sie sich an den Oberarm und schauderte. »Natürlich fühlte niemand außer mir etwas, bis ich den Mund aufmachte.« Sie sah mich mit finster warnendem Blick an. »Sag nie einer Horde Vierzehnjähriger, die im dunklen Keller eine Séance abhalten, dass dich irgendwas gestreift hat. Zu deiner eigenen Sicherheit.«
Ich kicherte. »Versprochen. Was ist dann passiert?«
»Sie sprangen schreiend auf und rannten zur Treppe. Ihre Angst steckte mich dermaßen an, dass ich natürlich auch loslief.«
»Natürlich.«
»Was immer in unserem Keller erschienen war, ich wollte nur noch weg und rannte, als hätte ich trotz meiner suizidalen Neigungen einen Grund zu leben.«
Pari war schon Goth gewesen, als Goths noch nicht cool waren. Wie jetzt zum Beispiel.
»Als ich auf der letzten Stufe ankam, dachte ich, ich sei gerettet. Aber ich hörte ein tiefes Knurren. Ehe ich wusste, wie mir geschah, fiel ich die halbe Treppe hinunter, verstauchte mir ein Handgelenk und prellte mir die Rippen. Ohne hinter mich zu blicken, kroch ich wieder nach oben. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass ich gar nicht gefallen war. Mir hatte etwas die Beine weggerissen und mich nach unten gezerrt.« Sie zog ein Hosenbein hoch und öffnete den Reißverschluss des Stiefels, um mir eine zackige Narbe an der Wade zu zeigen. Sie sah nach großen Krallen aus. »Ich habe noch nie solche Angst gehabt.«
»Heilige Scheiße, Par. Was
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