Geisterhauch (German Edition)
Mädchen, das aus Licht geschaffen ist … Was soll man davon halten?«, sagte Amador. »Ich verstehe das auch gar nicht. Na ja, Sie sind weiß.«
Bianca gab ihm einen Klaps auf die Schulter, dann wandte sie sich wieder mir zu. »Je mehr Amador und ich über ihn erfuhren, desto mehr glaubten wir, dass es Sie wirklich gibt.«
»Und er hat mich als schön bezeichnet?«, fragte ich, alles andere ausblendend.
Bianca grinste. »Immer.«
Wow. Das war das Coolste, das ich heute gehört hatte. Okay, es war noch früh, aber ich würde ja noch ein bisschen bleiben. Nach einem schweren Seufzer drängte ich die Tränen zurück und sagte: »Ich muss unbedingt erfahren, wo er ist. Es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber wenn ich ihn nicht bald finde, wird er sterben.«
Das stürzte die gute Laune in den Keller. »Was heißt das?«, fragte Amador.
»Okay. Wie viel wissen Sie über ihn?« Ich wollte abschätzen können, was ich ihnen verraten durfte.
Bianca kaute auf ihrer Unterlippe, ehe sie antwortete. »Wir wissen, dass er eine erstaunliche Gabe hat. Er kann seinen Körper verlassen und woandershin gehen.«
»Das hat er im Gefängnis oft getan. Da hatte er schon gelernt, es besser zu beherrschen, anstatt sich davon beherrschen zu lassen.«
Dass es ihn beherrscht hatte, war mir neu. Interessant. Da sie über Reyes’ Fähigkeiten ein bisschen Bescheid wussten und auch ganz aufgeschlossen waren, würde es nicht so schwer sein, ihnen zu erklären, worum es in Wahrheit ging. »Reyes ist zu dem Schluss gekommen, dass er seinen materiellen Körper nicht mehr braucht.«
Biancas hübsche Augenbrauen schoben sich zusammen. »Ich verstehe nicht.«
Ich rutschte an die Sesselkante. »Sie wissen doch, dass er seinen Körper verlassen kann.«
Beide nickten.
»Na ja, er will ihn für immer verlassen. Er will ihn loswerden. Er findet, dass er ihn langsam macht, und verwundbar.«
Bianca fuhr sich entsetzt an den Mund.
»Wie kommt er denn darauf?«, fragte Amador ärgerlich.
»Teils weil er ein Blödmann ist.« Den zweiten Teil ließ ich aus. Es gab keinen Grund, ihnen die ganze Wahrheit zu sagen. Wenn ich ihnen eröffnete, dass es Dämonen gab, würde ihnen das den Tag versauen. »Er hat nicht viel Zeit.« Ich sah Amador flehend an. »Haben Sie irgendeine Ahnung, wo er sich versteckt halten könnte? Irgendeine Idee?«
Er ließ bedauernd den Kopf hängen. »Nein. Habe nichts von ihm gehört. Als er aus dem Koma aufwachte und das Krankenhaus verließ, dachte ich, er kommt hierher.«
Bianca schob die Finger zwischen seine.
»Die Bullen dachten das auch«, fuhr er fort. »Sie überwachten unser Haus, und da wurde mir klar, dass er auf keinen Fall zu uns kommt, um uns nicht in Gefahr zu bringen.«
Er log nicht, und ich war keinen Schritt weiter. Ich hätte am liebsten geheult. Und getreten und geschrien. Angel würde ich umbringen, sobald das alles vorbei war. Mein einziger Ermittler, vor allem der einzige Mensch, der unsichtbar die Gegend absuchen konnte, war seit Tagen nicht mehr aufgekreuzt. Ich würde ihn achtkantig feuern.
»Fällt Ihnen etwas ein, Amador?«
Er schloss die Augen und überlegte. »Er ist clever«, sagte er, ohne die Augen zu öffnen.
»Ich weiß.«
»Nein, wirklich. Er ist das absolute Genie. So jemand ist mir nie wieder begegnet.« Er sah mich an. »Was glauben Sie, wie wir an das Haus gekommen sind?«
Darauf war ich allerdings neugierig.
»Während wir beide im Knast saßen, studierte er die Börsenkurse und entschied, wo wir investieren, wann wir kaufen und verkaufen sollten, und ich gab das an Bianca weiter.«
»Er hat uns mit tausend Dollar zu Millionären gemacht«, sagte Bianca. »Ich konnte wieder zur Schule gehen und Amador machte sich, als er entlassen wurde, mit einer Schweißerei selbstständig.«
»Er bedeutet uns sehr viel«, sagte Amador, »und nicht bloß deswegen.« Er deutete auf das Haus. »Sie ahnen nicht, wie oft er mir schon das Leben gerettet hat. Auch schon vor unserer Knastzeit. Er ist immer für mich da gewesen.«
Plötzlich konnte ich mir gar nicht mehr vorstellen, dass Amador jemanden angegriffen und schwer verletzt hatte. Er hatte ein freundliches Wesen, und ich war bereit zu wetten, dass er in Schwierigkeiten geraten war, weil er jemanden beschützt hatte.
»Er ist clever«, sagte er noch mal und tief in Gedanken. »Er versteckt sich nicht vor irgendwem. Er versteckt sich vor Ihnen, wo Sie ihn nicht suchen würden.«
»Charlotte«, sagte Bianca traurig,
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