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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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… Ein Handnebel machte eine ungeduldige Bewegung.
    Ohne nennenswerte Furcht trat Aleytys auf den Lichtkreis. Er bebte unter ihren nackten Füßen - wie etwas Lebendiges, das zitternd Schauder durch ihre Beine emporschickte. Sie klammerte sich an den Dieb. Es war seltsam, seinen hageren, kräftigen Körper gegen sich gepreßt zu spüren, obgleich sie innerhalb des Kreises ihrer Arme nichts sah. Sie fühlte ein stummes Lachen in seiner Brust vibrieren.
    Sie ritten auf dem Kreis, schwebten hoch und über die Mauer, glitten dann an der Fassade des Gebäudes entlang, bis der weitere Aufstieg gebremst wurde, als sie ein schmales Fensjer erreichten, das mit einem massiven Block klaren Materials verschlossen war, das für Aleytys nicht wie Gras aussah. Sie klammerte sich an den Dieb, während er in schnellen, schwungvollen Bewegungen ein leise summendes Werkzeug über den Stöpsel hin und her bewegte. Das klare Material leuchtete graugelb auf, dann begann es in einem schmutzigen Wabern über den Stein herunterzuträufeln…
    Aleytys zitterte im Schlaf, stöhnte, öffnete blinzelnd die Augen.
    „Nicht schon wieder”, flüsterte sie. Swardhelds Arm lag schwer auf ihren Brüsten. Sie fühlte sich in einer zärtlichen Stimmung und war zugleich ungeduldig und schob ihn von sich herunter, rollte zur Seite, wandte ihm den Rücken zu. Warm und seltsam ausgelaugt schlief sie ein - und träumte weiter:
    Nacht im Wadi Kard. Beide Monde sind untergegangen - oder noch gar nicht aufgegangen. Langsam schritt sie am Kard-Fluß entlang, genoß die vertrauten Geräusche und Gerüche, bis sie ganz benommen davon war. Sie erreichte das Flußufer und kniete sich nieder, um auf das dunkle Wasser hinunterzusehen. Bergfluß.
    Der für sie sang. Lachend und weinend zugleich spritzte sie sich das Wasser ins Gesicht, beugte sich tiefer hinunter und trank. Kalter Geschmack - ein Hauch von Blättern im Wasser. Sie sprang auf und ging weiter.
    Der Klang einer Barbat ließ sie anhalten; ihr Herz klopfte hoch in ihrer Kehle. Wie oft habe ich ihn dieses Lied spielen hören, dachte sie. Wie oft…?
    Aleytys straffte sich und ging weiter. Bedauern war sinnlos. Sie konnte die letzten Jahre nicht ungeschehen machen, und genausowenig konnte sie sich in die Haut des Mädchens zurückzwängen, das sie damals gewesen war, als sie vor der Verbrennung als Hexe floh. Sie folgte dem Klang und sah Vajd am Fluß auf einer Bank sitzen, die kreisförmig um den Stamm eines alten Horan herumgebaut war. Als sie ihm zusah, wie er seine Finger über die Saiten zog, spürte sie eine benommen machende Woge des Verlangens, die nach einer kleinen Weile zu einer tiefen Zuneigung und schmerzender Einsamkeit auslief. Er ist älter geworden, dachte sie. Wie viele Jahre waren vergangen, seit sie ihn zuletzt gesehen hatte? Drei? Vier? In seiner weichen, widerspenstigen Haarmähne gab es mehr Weiß, und sein Gesicht war rings um die Augen stark vernarbt. Geblendet. Ihretwegen.
    Er lauschte. „Wer ist da?” Das blinde Gesicht ruckte herum.
    „Wie geht es dir, Vajd?”
    „Aleytys.”
    „Ich habe mich oft gefragt, ob du dich an mich erinnern würdest.”
    „Ich habe dich erwartet.”
    Sie ließ sich neben ihm auf der Bank nieder. „Ich habe dein Träumen vergessen.”
    „Du hast eine Menge vergessen, deinen Sohn eingeschlossen.”
    Sie legte die Hände fest um die Kante der Bank-Sitzfläche. „Dann hat ihn Stawer tatsächlich hierhergebracht.”
    „Meinen Sohn.” Die Kälte in seiner Stimme schreckte sie auf. Sie starrte ihn an, spürte den unterdrückten Zorn und eine unerbittliche Verachtung in ihm. „Du hast ihn im Stich gelassen.”
    „Du weißt ja nicht … Hat Stavver dir nicht erzählt, was geschehen ist?”
    „Er kam spät am Abend … Ich konnte nicht schlafen … Zu stark war die Erwartung in mir. Er fragte nach meinem Namen, und als ich ihn nannte, legte er den Jungen neben mir nieder, nahm meine Hand und legte sie darauf. Der Junge schreckte zurück und fing an zu weinen -kein Brüllen aus vollem Hals, wie das ein zorniges Baby tut, sondern das zurückzuckende Winseln eines verletzten Tieres. Er sagte: ,Dies ist dein Sohn.’ Er sagte, ein verdammtes Hexenweib namens Aleytys habe ihn gezwungen, den Jungen aufzuspüren und ihn zu mir zu bringen. Er sagte, er sei fertig mit dir und mit mir und mit der ganzen verdammten Sippschaft. Und dann ist er gegangen.”
    Vajd wandte ihr sein vernarbtes, anklagendes Gesicht zu. „Hat er gelogen?”
    „Nein, aber da war …

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