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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Whates
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sie auf eine gesprochene Nachricht verzichtet, weil sie ihn nicht aus dem Schlaf aufwecken wollte.
    Er griff nach dem dünnen weißen Blatt und las den kurzen Text. Zwei Zeilen; keine Unterschrift.
    Mya hatte recht, was dich betrifft. Wenn ich sie das nächste Mal sehe, können wir unsere Erfahrungen austauschen.
    Sie kannte Mya? Sie kannte Mya? Er ballte die Faust, wobei er das Blatt Papier zerknüllte, und hieb auf einen der Metallstäbe ein, die die Stirnwand des Betts stützten.
    Das tat weh – aber nicht weh genug.

5
    Philip segelte in sein Apartment, immer noch beschwipst von einem Adrenalinrausch, der ihn durch den Vormittag getragen hatte und wiederaufgeblüht war während der Vorstandssitzung, die nicht besser hätte laufen können, wenn er das Drehbuch dazu selbst geschrieben hätte. Just in diesem Moment fühlte er sich, als könne er es mit der ganzen Welt aufnehmen. Er war dankbar, weil sich alle Anwesenden von seinem Enthusiasmus hatten anstecken und sich mitreißen lassen. Gegen Ende der Konferenz stand jeder vorbehaltlos hinter ihm. Er hatte nicht einmal Grund, an ihrer Aufrichtigkeit zu zweifeln, denn die irreführend altmodischen Sessel, auf denen sie saßen, hatten während der gesamten Dauer des Treffens die körperlichen Reaktionen jedes einzelnen Vorstandsmitglieds aufgezeichnet. Die spätere biometrische Analyse bestätigte die Ehrlichkeit ihres Verhaltens mit einem akzeptablen Maß an Zuverlässsigkeit. Trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse war es schon eine lange Zeit her, seit er das letzte Mal die hundertprozentige Unterstützung des kompletten Vorstands genossen hatte. In erster Linie hatte er seine kleine Show veranstaltet, um sicherzugehen, dass nichts mehr auf die lange Bank geschoben würde. In den letzten Wochen waren Philip und sein Team von Details ausgebremst worden. Am meisten fuchste ihn dabei, dass der Erfolg zum Greifen nahe war, daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel. Seit Monaten stand das Projekt kurz vor einem entscheidenden Durchbruch, doch immer wieder brachten lästige Belanglosigkeiten ihn ins Stocken, nebensächliche Probleme, die man leicht hätte lösen können, wenn sich jeder nur engagiert ins Zeug gelegt hätte. Aber nun – vorausgesetzt, es passierte nicht noch irgendein unvorhersehbares Desaster – mussten all seine Frustrationen eigentlich über Nacht verschwinden. Wenn man ihm freie Hand ließ, stand seiner festen Überzeugung nach einem phänomenalen Erfolg endlich nichts mehr im Weg. Das Vorbild, das ihnen die The Noise Within lieferte, war genau der Ansporn, den sie brauchten, um über die Ziellinie zu preschen.
    Die Perfektion des Interface zwischen Mensch und AI, eine Verbindung, an der man so lange getüftelt hatte, stellte eine Errungenschaft dar, die in die Historie eingehen würde; eine Leistung, die es sogar mit dem grandiosen Kaufman-Antrieb aufnehmen konnte.
    So bedeutend wie alles, was sein Vater je erfunden hatte.
    Philip musste von seinem Hoch runterkommen. Er bemühte sich nach Kräften, die auf einem Bord liegende schwarze Schachtel zu ignorieren – sie glich in etwa einem flachen, rechteckigen Schmucketui zum Aufbewahren einer teuren Halskette, auch wenn sie für diesen Zweck ein bisschen zu groß war –, schenkte sich ein Glas kaltes Wasser aus dem Kühlschrank ein und schloss beim ersten Schluck die Augen, um zu genießen, wie die Kälte durch seinen Körper strömte. Er zwang sich, abzuschalten, tief durchzuatmen und sich zu entspannen. Ständig an dem Wasser nippend, überflog er zerstreut die Liste mit Anrufen, die Phil während seiner Abwesenheit entgegengenommen hatte. Die meisten dieser Anrufer schienen ihm lediglich zu seiner Gügenhall-Rede gratulieren zu wollen, Plattitüden, die sie von sich gaben, weil die Pflicht es von ihnen verlangte – alles Huldigungen an den großen Gott der Etikette. Phil hatte keine einzige Nachricht mit dem Vermerk versehen, dass sie seine persönliche Aufmerksamkeit erfordere, deshalb tat Philip die Liste als unwichtig ab, ohne sich die Mühe zu geben, irgendeine der Mitteilungen zu lesen.
    Kein Anruf von Mal; obwohl er offen gesagt enttäuscht gewesen wäre, hätte er sich gemeldet. Der reale Malcolm Kaufman hätte sich in Geduld geübt und darauf gewartet, dass Philip ihn kontaktierte, darauf vertrauend, dass seine Enthüllung bedeutend genug war, um Philip zu einem Anruf zu bewegen, womit er sogar recht behalten konnte … irgendwann einmal. Offensichtlich steckte genügend von

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