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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Whates
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eines Spielzeugs, das er im Handumdrehen repariert und so gut wie neu gemacht hätte – eigentlich sogar noch besser –, hätten sie ihm nur noch zehn Minuten Zeit gegeben.
    Das zweite, das tief in seinem Gedächtnis verankert saß, war die Tatsache, dass sämtliche von Tante Tamzins Häusern unvollständig zu sein schienen; damit meinte er nicht das Gebäude als solches, sondern ihm fiel auf, dass sie nie die Funktion eines Zuhauses erfüllten. Es gab vielleicht keine unfertigen Wände oder klaffende Löcher, wo sich ein Dach hätte befinden müssen, aber ständig drängte sich ihm das Empfinden auf, die Familie sei noch nicht ganz eingezogen; als hätten seine Verwandten entweder ihre Sachen oder ihre Emotionen noch nicht völlig ausgepackt, und dass es Zeit würde, bevor sie dazu kämen, alles wieder zu verstauen und für den nächsten Umzug bereit zu machen. Sein eigenes Elternhaus, in dem er als Kind aufwuchs, war eine solide Präsenz gewesen, es vermittelte ihm das tröstliche Gefühl, dass es ihn niemals im Stich lassen würde; im Gegensatz dazu haftete Tante Tamzins Domizilen immer der Eindruck eines Provisoriums an, sie erschienen ihm eher wie Zwischenstopps im Verlauf irgendeiner längeren Reise. Sie erhielten nie die Pflege und Aufmerksamkeit, die ein richtiges Daheim verdient.
    Diese ins Gedächtnis zurückgerufenen Eindrücke aus der Kindheit strömten wieder auf ihn ein, als er einen ersten Blick in das Innere der The Noise Within warf. Kyle hatte auf vielen Schiffen gedient, und die meisten wirkten entschieden verwohnt; selbst die Schiffe der Navy, obwohl diese ausnahmslos nach rigiden Standards gereinigt und gewartet wurden. Auf The Lady J mochte alles zwar immer funkelnagelneu und blitzblank ausgesehen haben, aber trotzdem merkte man, dass Menschen an Bord waren, und sie stellte insgesamt ein harmonisches Ganzes dar. Bei der The Noise Within war das nicht der Fall.
    Anfangs wusste Kyle nicht genau, was hier nicht stimmte, doch allmählich begann er, die Kleinigkeiten wahrzunehmen. Den Grundtyp des Schiffs erkannte er auf Anhieb, und nach einigem Nachdenken hätte er vermutlich sogar den Namen der Werft nennen können, die es gebaut hatte, doch je genauer er hinschaute, umso schwerer fiel es ihm zu glauben, dass irgendeine Werft ein Schiff in diesem Zustand vom Stapel lassen würde. Es war hastig zusammengeschustert, ohne dass man den Details die gebührende Sorgfalt angedeihen ließ, und es fehlte eindeutig der letzte Schliff.
    Schweißnähte waren deutlich sichtbar – am Fuß der Wände kräuselte sich erkaltetes Metall, diese Höcker wären normalerweise abgeschliffen worden, lange bevor man das Schiff der Öffentlichkeit präsentiert hätte, und Nietenköpfe standen überall hervor, ohne dass man den Versuch gemacht hätte, sie zu kaschieren. Die Wände bestanden aus unverkleidetem Metall, und auch der Boden lag an vielen Stellen blank. Die Präzision, die er bisher auf jedem Schiff angetroffen hatte und als selbstverständlich voraussetzte, war einfach nicht da. Es schien, als sei dies ein erster Versuch von irgendetwas, ein funktionsfähiges, von der Größe her authentisches Modell, das eher als Attrappe gedacht war und nicht als ein Schiff, mit dem man tatsächlich durchs Weltall fliegen würde. Wie Tante Tamzins Serie von Häusern, so war auch die The Noise Within nichts Halbes und nichts Ganzes, als sei das Schiff nichts weiter als eine Schablone des angestrebten fertigen Produkts.
    Der vielleicht verstörendste Aspekt war jedoch der Mangel an menschlichem Flair, es gab weder Hinweise auf Einzelpersonen noch auf eine Crew. Nichts deutete darauf hin, dass Menschen an Bord lebten, weder jetzt noch früher. Kyle wäre jede Wette eingegangen, dass das Schiff zumindest von innen noch fast genauso aussah wie an dem Tag, als es in Betrieb genommen worden war.
    Zudem roch es ganz anders als alle Schiffe, auf denen er je zuvor geflogen war. Egal, wie gründlich man ein Schiff reinigte und polierte, oder wie oft die Luft erfrischt und recycelt wurde, es blieb immer eine Spur von menschlichen Ausdünstungen, von Schweiß und Düften; vage erahnte Gerüche, die von Maschinenteilen und Schotten absorbiert waren oder einfach nur in der Luft schwebten. Vorher hatte Kyle noch nie konkret darüber nachgedacht, und ihm wurde dieser allgegenwärtige Geruch menschlichen Wohnens erst durch dessen völliges Fehlen bewusst. Die The Noise Within roch neu und unbewohnt, aber im Widerspruch dazu hing in der Luft

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