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Geisterjagd

Geisterjagd

Titel: Geisterjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Whates
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ein Hauch von Fäulnis, wenn nicht gar von Tod.
    Vom ersten Moment an, seit er an Bord gekommen war, während sich das Luxusschiff, das er so leichtfertig aufgegeben hatte, nur ein kurzes Stück von ihm entfernt befand – eine gekaperte Trophäe, nun an die Systeme der The Noise Within gefesselt wie ein eingeschüchterter Schoßhund –, fing er an sich zu fragen, was zum Teufel in ihn gefahren war. Noch nie zuvor hatte er sich auf irgendeinem anderen Schiff so völlig allein gefühlt.
    Das Seltsamste von allem war die Crew. Na schön, vielleicht hätte er nicht zu viel Flachsereien und Scherze erwarten sollen, als sie alle zusammen durch die eilig montierte Nabelschnur hetzten, ein Zugangstunnel, der die beiden Schiffe miteinander verband; jedes Crewmitglied trug einen Raumanzug und einen geschlossenen, versiegelten Helm – ein Manöver, das ihn in die Zeit versetzte, als er noch bei der Navy gedient hatte. Doch nachdem sie wieder sicher an Bord der The Noise Within gelandet waren, hätte doch gewiss jeder die gelungene Kaperung feiern wollen. Schon ein ausgelassener Jubelschrei oder ein Ruf der Erleichterung hätten ihn zufriedengestellt, aber nichts dergleichen geschah. Keine Gemütsbewegung, nicht mal ein Heruntersacken der militärisch steifen, durchgedrückten Schultern ließen auch nur eine Spur von Entspannung erkennen. Stattdessen lief alles mit der reibungslosen Effizienz weiter, die das Enterkommando an Bord der Lady J zur Schau gestellt hatte. Die Crewleute nahmen nicht mal ihre Helme ab.
    Unmittelbar nach seiner Entlassung aus der Navy hatte Kyle eine Weile mit allen möglichen Menschentypen gedient. Als er die Lady J zugunsten der The Noise Within verließ, hatte er damit gerechnet, sich einer Bande von fröhlichen Abenteurern anzuschließen; zweifellos treulose, gefährliche Charaktere, aber mit denen wäre er fertiggeworden – eine Gruppe, die sich über diesen Neuzugang erfreut und ihn in ihrer »Gang« willkommen geheißen hätte. Rückblickend gestand er sich ein, dass derlei Erwartungen vielleicht ein bisschen naiv waren, sicherlich genährt durch seine zunehmende Frustration und die tödliche Langeweile an Bord der Lady J. Womöglich vermisste er auch seine Zeit beim Militär mehr, als ihm bewusst war, und sah sein Überlaufen zur The Noise Within als eine Gelegenheit, wieder den süchtig machenden Kameradschaftsgeist zu erleben, den er im Grunde nur während des Krieges angetroffen hatte, als jeder bereit war – auch er selbst –, sein eigenes Leben zum Wohle der Kameraden aufs Spiel zu setzen.
    Sollte dieser Wunsch nach einer eingeschworenen Gemeinschaft tatsächlich die Triebfeder für sein Handeln gewesen sein, dann war die Enttäuschung vorprogrammiert. Kyle wurde nicht direkt gefangen gehalten, aber bestimmte Sektionen des Schiffs durfte er nicht betreten; zum Beispiel war ihm der Zugang zu sämtlichen Bereichen verwehrt, in denen der Rest der Crew seine Zeit verbrachte. Und selbst nachdem die Lady J und die ausgesonderten Passagiere im Austausch gegen Summen, die den Lösegeldern für mehrere Prinzen entsprachen, freigegeben wurden, erlaubte man es ihm immer noch nicht, auch nur einen seiner neuen Bordkameraden mit abgenommenem Helm zu sehen. Die Leute behaupteten, es geschähe aus Sicherheitsgründen, eine vorläufige Maßnahme, bis er sich bewährt hätte, doch nach einiger Zeit begann er sich zu fragen, ob nicht noch mehr dahintersteckte. Kyle gelangte rasch zu dem Schluss, dass er vielleicht der einzige echte Mensch an Bord der The Noise Within war.
    Drevers’ Ankunft war für ihn wie ein Gottesgeschenk. Nachdem Kyle ein paar Tage lang mit wachsender Frustration auf und ab getigert war, informierte man ihn, dass das Schiff kurz vor dem nächsten Kaperangriff stand. Mitmachen durfte er zwar nicht, aber man wies ihm einen Zuschauerplatz in der ersten Reihe an, mit kompletten Audio- und visuellen Einspielungen, die es ihm ermöglichten, die Vorgänge genau zu verfolgen.
    So weit er es beurteilen konnte, war dies mehr oder weniger eine Wiederholung des Angriffs auf die Lady J, wobei das aufgebrachte Schiff genauso chancenlos war und ebenfalls keinen Widerstand leistete. Aus seiner Sicht war der größte Gewinn, den dieser Überfall brachte, ein zweiter neuer Crewman: Drevers. Endlich hatte Kyle ein bisschen Gesellschaft.
    Die ursprüngliche Crew der The Noise Within hatte seine hochgesteckten Erwartungen nicht erfüllt, Drevers hingegen war alles andere als eine Enttäuschung. Seine

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