Geisterkrieg
Jahrhunderten. Selbst während des Bürgerkriegs blieb es hier ruhig. Die Reformen waren schmerzlos und durchdacht. Ich werde nicht zulassen, dass all das jetzt den Bach runtergeht. Und Sie können Ihrem Boss mitteilen: Er mag sich einbilden, in Sicherheit vor mir zu sein, aber da täuscht er sich.«
Beinahe hätte ich wieder alles abgestritten, stattdessen aber nickte ich. »Falls sich die Gelegenheit ergibt, werde ich Ihre Nachricht weiterleiten. Erwarten Sie keine Antwort.«
Er überlegte kurz, dann nickte er. »Sie könnten auch einfach heimfliegen. Sie können zurück an Bord der Somerset gehen. Ich besorge das Geld für Ihren Abflug.«
»Mit derartigen Angeboten ruinieren Sie Ihre Touristikbranche.«
»Ich will nicht, dass meine Welt ruiniert wird.«
»Das haben Sie klar und deutlich zum Ausdruck gebracht.« Ich stand auf. »War wirklich nett von Ihnen, vorbeizuschauen. Sie sind jederzeit willkommen. Ich freue mich auf ein Wiedersehen.«
»Ja, klar. Es wird Ihnen aber nicht gefallen, wenn Sie mich wiedersehen, Donelly. Hier zu bleiben ist ausgesprochen dumm.« Er ging zur Tür, dann drehte er sich noch einmal um. »Sehen Sie sich vor, dass sie es nicht bis zur Idiotie kommen lassen. Das ist hierzulande eine tödliche Krankheit.«
Verbündete muss man ebenso im Auge behalten wie Feinde.
- Leo Trotzki
Manville, Capital District, Basalt Präfektur IV, Republik der Sphäre
29. Januar 3133
So kurz Niemeyers Besuch auch war, er half mir, mich auf einen wichtigen Teil meiner Arbeit zu konzentrieren, der auch der Grund für mein vorgezogenes Eintreffen war. Ich musste die planetare politische Lage peilen und versuchen festzustellen, welche Lager es gab, und was Freundlich voraussichtlich von mir wollte. Niemeyer vertrat ohne Zweifel eine der hiesigen Fraktionen, ich musste aber noch herausfinden, wie stark sie war und wie sie zu den anderen stand. Solange er Warnungen austeilte und sogar anbot, für Reisekosten aufzukommen, war er trotz seiner Drohungen noch nicht ins Lager der Gesetzlosen gewechselt. Ich hatte keinen Zweifel daran, dass er mich ermorden und in der Wildnis für die Nibbler liegen lassen konnte, aber damit zu drohen und es tatsächlich zu tun, waren zwei grundverschiedene Dinge.
Nibbler waren in mancher Hinsicht das Gegenteil Niemeyers, denn leere Drohungen waren ihnen fremd. Die kleinen Raubtiere gehörten zur einheimischen Tierwelt. Sie wurden bis zu sechzig Zentimeter lang und fünfzehn Kilo schwer. Diese durch und durch unfreundlichen Geschöpfe jagten und verschlangen alles, was ihnen vor die Schnauze kam, und zwar restlos: mit Haut, Haar und Knochen. Vor selbst organisierten Campingausflügen in Basalts Naturschutzgebieten wurde dringend gewarnt, denn wer das Pech hatte, im Schlaf zu sterben oder sich zum Beispiel durch einen unglücklichen Sturz zu verletzen, verschwand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bis auf ein paar arg zerbeulte Metallteile wie Gürtelschnallen oder Schmuck spurlos.
Eine kleinere Ausgabe dieser Tiere war in den Städten heimisch geworden, wo sie dieselbe ökologische Nische ausfüllte wie Ratten auf anderen Planeten. Das hatte zur Folge, dass Haustiere auf Basalt mindestens mittelgroße Hunde mit besonderem Talent zur Rattenjagd waren. Irgendwann hatte einmal jemand den schlauen Gedanken gehabt, große Schlangen auf Basalt anzusiedeln, um die Nibbler zu bekämpfen. Doch die Viecher hatten sich angewöhnt, scharenweise an die Stellen zu strömen, an denen die Schlangen ausgesetzt wurden. Sie waren geradezu wild auf die Schlängelsteaks.
Tatsächlich war das Einzige, was sie einigermaßen im Zaum hielt, die Tatsache, dass sie ihr Revier extrem eifersüchtig bewachten und auch vor Kannibalismus nicht Halt machten. Niemeyer betrachtete mich offenbar als humanoide Variante eines Nibblers, ebenso wie die anderen, die er erwähnt hatte. Der Vergleich schien durchaus passend, und ich nahm mir vor, Consuela bei der Rückkehr nach Terra vorzuschlagen, dass sie die Unruhestifter statt als Schakale in Zukunft als Nibbler bezeichnete.
Das Bild von uns als Nibblern passte noch in anderer Hinsicht, denn vor zwanzig Jahren hatten die Basaltinen versucht, das Image ihrer einheimischen Räuber zu verbessern. In den Läden waren Plüschnibbler aufgetaucht und ein örtlicher Schriftsteller hatte eine Serie Kinderbücher geschrieben, die einen Nibbler zum Helden hatten. >Nifty Nibbler< hatte es sogar zum Star einer TriVid-Serie gebracht, an die ich mich noch aus
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