Geisterreigen
gerettet." Er nahm einen Schluck aus seinem Bierglas. "Ich bin überzeugt, daß Mary Cook dieses Tier ins Schlafzimmer von Miß Rowland geschickt hat. Sicher sollte es ihr die Kehle durchbeißen."
Daisy stieß heftig den Atem aus. "Zum Glück hat sie das Tier abwehren können."
"Sie sollte endlich ihre Sachen packen und verschwinden."
"Ihr gehört Rowland Castle."
"Weil ihr Großonkel während des letzten Jahres seines Lebens ziemlich senil geworden ist." Bert Eason starrte wütend auf das Meer hinaus. "Du weißt, was für großartige Pläne Reverend Lansing mit Rowland Castle hatte. Gibt es etwas Wichtigeres, als den Erhalt der Natur? Sehen wir nicht ständig, wie die Zerstörung unserer Welt voranschreitet?"
"Bert, du mußt mir keinen Vortrag über Naturschutz halten", wandte das Hausmädchen ein. Es legte beschwichtigend einen Arm auf seine Hand. "Sei bitte nicht so wütend. Ich finde es jede nfalls sehr mutig von Miß Rowland, dem Fluch die Stirn zu bieten."
"Sie wird diesen Hochmut mit dem Leben bezahlen", erklärte der junge Mann resolut. "Wart's nur ab, Daisy. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die letzte Rowland..." Abrupt unterbrach er sich, weil in diesem Moment Dr. Lansing die Terrasse von A nnies Teehaus betrat.
"Hallo!" grüßte der Tierarzt zu Daisy und ihrem Verlobten hi nüber, dann wandte er sich Lucy Cook zu, die aus der Gaststube kam. "Ich hörte, Sie hätten einen Bernhardiner gefunden?"
Lucy nickte. "Ich war heute morgen in Bideford. Als ich nach Alberry zurückfuhr, lag er am Straßenrand. Zuerst wagte ich nicht, mich ihm zu nähern. Man kann ja nie wissen..." Sie hob die Schultern. "Aber dann überwand ich meine Angst. Der arme Kerl war so schwach, daß er kaum in meinen Wagen klettern konnte."
"Wo ist er jetzt?"
"Ich habe ihn ins Gartenhäuschen gesperrt. Dort hat er es b equem, bis entschieden ist, was aus ihm werden soll."
"Gut, dann werde ich ihn mir jetzt einmal ansehen", sagte T imothy.
"Fein. Einen Augenblick." Lucy brachte noch ein Tablett mit Salat, Brot und Limonade zu einem der Tische, dann stieg sie mit dem Tierarzt die Stufen zum Garten hinunter. "Waren Sie schon bei Miß Rowland?" erkundigte sie sich. "Ich mache mir große Sorgen um sie."
"Ich mir auch, Miß Cook", gab Dr. Lansing zu. "Nicht, daß ich an den Fluch glauben würde, aber irgend etwas stimmt nicht. Erst ihr Sturz in den Brunnen, jetzt der Marder." Er seufzte auf. "Ich war heute noch nicht auf Rowland Castle, aber ich habe mit Miß Rowland telefoniert. Es geht ihr soweit ganz gut."
"Sicher werden Sie doch nachher zu ihr fahren. Wenn Sie Miß Rowland sehen, dann richten Sie ihr bitte einen Gruß von mir aus", bat Lucy. Sie schloß die Tür des Gartenhäuschens auf. "Warum bellt er nicht? Als ich ihm vorhin frisches Wasser brac hte, hat er ziemlichen Lärm gemacht."
"Einen Augenblick." Timothy drängte das junge Mädchen be iseite und trat ins Gartenhäuschen. "Kein Wunder, daß er nicht bellt", sagte er und wandte sich um. "Sie können kommen, Miß Cook. Ihr Schützling hat sich aus dem Staub gemacht." Er wies zum Fenster. Der Bernhardiner war ganz einfach durch die Scheibe gesprungen. "Eine ziemliche Leistung für jemanden, der einige Stunden zuvor kaum den Weg zum Wagen geschafft hat", fügte er hinzu.
Lucy untersuchte das kaputte Fenster. "Hoffentlich hat er sich nicht verletzt", meinte sie. "Vielleicht hätte ich ihn nicht einspe rren dürfen, aber was sollte ich tun?" Sie warf dem Tierarzt einen unglücklichen Blick zu.
Timothy legte eine Hand auf ihre Schulter. "Machen Sie sich keine Gedanken, Miß Cook. Ich bin überzeugt, daß wir den Hund über kurz oder lang wiedersehen werden." Er schaute auf seine Uhr. "Dann werde ich jetzt nach Rowland Castle fahren. Vielleicht horchen Sie einmal bei Ihren Gästen herum, ob jemand etwas über einen ausgerissenen Bernhardiner weiß. Immerhin ist so ein Hund in unserer G egend ziemlich selten."
"Ja, das werde ich tun, Doktor Lansing", versprach Lucy.
Sie kehrten auf die Terrasse zurück. Timothy stellte fest, daß Daisy und ihr Verlobter inzwischen gegangen waren. Er mochte Bert Eason nicht sonderlich und verstand nicht, wie sich ein so hübsches Mädchen ausgerechnet in diesen Burschen verlieben konnte. Aber es ging ihn nichts an. Mit einigen beruhigenden Worten verabschiedete er sich von Lucy und machte sich auf den Weg zu seinem Wagen.
15.
Diana Rowland saß in einem Liegestuhl auf der Terrasse. Sie las in einem der Tagebücher. Es war erst
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