Geisterschiff Vallona
lesen.«
Unvermittelt musste Karl an Doktor Ekwall denken. Das hätte auch von ihm stammen können. Auf irgendeine Weise hing alles zusammen.
Der Nebel, die Forschungen und der Stromausfall– und vielleicht sogar die Figur in Karls Tasche. Aber wie? Wo war die Verbindung?
Mit einem Schnauben, das einem Grizzly zur Ehre gereicht hätte, fuhr Ursula fort.
»Man soll sich in so etwas einfach nicht einmischen. Das Klima verändert sich ständig. Nebel kommt und Nebel geht und das
hat wohl kaum etwas mit den Sprengungen zu tun. Nein, manchmal ist es klüger, schlafende Hunde nicht zu wecken.«
Karl lief es eiskalt den Rücken herunter. Entgegen ihrer Behauptungen war Mama dort draußen auf dem Meer vermutlich in Lebensgefahr.
Gerade jetzt war sie auf dem Weg nach Krabbsjögrund, mitten hinein in den Grauen. Das war es, was sie Großvater am Telefon
gesagt hatte.
»Ich kann nicht fassen, dass die sich wirklich an die Untiefen heranwagen«, sagte Ursula, die neuen Schwung bekommen zu haben
schien. »Das ist doch glatter Selbstmord bei dem Nebel. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Kompass und Echolot noch funktionieren,
jedenfalls war das das Erste, was auf meiner Fähre ausgefallen ist. Und jetzt, wo der Stromausfall den Leuchtturm lahmgelegt
hat …«
Schlagartig wurde Karl klar, was sein Großvater vorhatte. Er war rausgefahren, um Mamazu suchen. Um sie zu warnen! Vermutlich befand sich seine Mutter bereits in der Nähe der Untiefen, als der Leuchtturm ausgegangen
war.
Und jetzt glaubte Karl auch zu verstehen, wie das alles zusammenhing. Sicher steckte Doktor Ekwall hinter dem Stromausfall,
der durch das Abschalten des Leuchtturms das Forschungsschiff an seiner Arbeit hindern wollte. Aber wenn das stimmte … dann hieß das zugleich, dass Doktor Ekwall bereit war, das Leben anderer Menschen aufs Spiel zu setzen, nur um seinen Willen
zu bekommen. Waren ein paar Jobs wirklich so wichtig? Oder hatte Ekwall andere Gründe?
Plötzlich ging die Tür auf und Schrott-Jansson kam zurück. Karl musste ihn nur ansehen, um zu wissen, was er gleich sagen
würde. Großvaters Boot war tatsächlich verschwunden. Er war es, der aufs Meer hinausgefahren war. Er war es, der fast Ursulas
Fähre gerammt hatte.
»Er könnte überall sein«, sagte Schrott-Jansson leise. »Man sieht kaum die eigene Hand vor Augen und der Leuchtturm ist nach
wie vor dunkel. Was will er denn bloß bei dem Wetter da draußen?«
»Er sucht Mama«, murmelte Karl. »Ich bin mir ganz sicher. Ohne den Leuchtturm bei Krabbsjögrundwerden sie mit dem Forschungsschiff geradewegs auf Grund laufen.«
Ursula keuchte laut auf.
»Deine Mama?«, sagte sie. »Ist sie …? Es tut mir leid, ich … Oh, ich und meine große, vorlaute Klappe!«
Aber Karl hörte gar nicht hin. Verzweifelt überlegte er, was er jetzt noch tun konnte.
»Hast du ein Boot, das du mir ausleihen würdest?«, fragte er Schrott-Jansson.
»Bist du verrückt? Niemals würde ich dich bei diesem Wetter aufs Meer lassen. Das würde dein Großvater mir nie verzeihen.«
Karl sank auf seinem Stuhl zusammen. Da spürte er, dass sich die Figur wieder regte. Fast so, als kletterte sie sein Bein
hoch, aber sowie er die Hand in die Tasche steckte und die Figur herauszog, war sie wieder kalt und reglos.
Neugierig sah Sara zu ihm hin.
»Was ist das?«
Aber ehe Karl antworten konnte, stand Schrott-Jansson mit einem Ruck auf.
»Wir müssen etwas unternehmen.«
Er schaute Ursula an, als ginge er davon aus, dass sie einen guten Vorschlag hatte.
»Wir könnten das Leuchtfeuer von Hand entzünden«, sagte sie nachdenklich. »Das würdeihm helfen zurückzufinden. Jetzt, wo der Strom ausgefallen ist … Man kann doch den Leuchtturm immer noch mit Petroleum betreiben, oder?«
Schrott-Jansson nickte und fing sofort an, zwischen Kisten und Stapeln nach einem Petroleumkanister zu suchen.
»Das ist vermutlich seine einzige Chance«, sagte Ursula. »Andernfalls …«
Sie führte den Satz nicht zu Ende, aber Karls Nackenhaare sträubten sich trotzdem. Andernfalls ist er im Grauen verloren.
Zusammen mit dem Lotsen und all seinen Geisterschiffen. Überall Untiefen. Und was, wenn zusätzlich zu dem Grauen auch noch
ein Sturm aufzog? Mama war auch noch irgendwo dort draußen.
Unruhig sah Sara ihren Großvater an.
»Hast du wirklich vor, zum Leuchtturm zu fahren? Bist du verrückt?«
»Es ist nicht gefährlich. Ich bin bald zurück.«
»Ich komme mit«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher