Geisterstadt
irgendwie anders, oder ist dir überhaupt irgendwas Ungewöhnliches aufgefallen? Kann gut sein, dass dieses Symbol ziemlich komische Auswirkungen ...«
»Über so ’n Scheiß red ich mit dir nicht, klar? Warum zum Teufel fragst du mir Löcher in den Bauch?«
»Weil ich dir helfen will. Wenn ...«
»Ich brauch deine blöde Hilfe nicht.«
»In der Nacht damals hast du sie sehr wohl gebraucht.« Ihre Augen brannten. Das hatte sie nicht gewollt. Sie hatte diese Unterhaltung nicht beginnen wollen, aber jetzt, wo sie hier waren, allein in dem großen, leeren Raum, während es draußen schüttete wie verrückt und der Regen leise rauschend gegen die Fassade prasselte, konnte sie sich nicht mehr länger beherrschen. Die Worte sprudelten aus ihr heraus, befeuert von der Kraft jedes einzelnen einsamen, traurigen Gedankens, der ihr seit der Nacht, in der er sie auf dem Friedhof erwischt hatte, durch den Kopf gegangen war. Anscheinend brach jetzt einfach mal der Damm in ihrem Inneren. »Du wärst draufgegangen, wenn ich nicht ... Ich habe dir das Leben gerettet. Kannst du nicht wenigstens ...«
»Ach ja? Und ich kann mich noch gut erinnern, dass ich dir auch ein-oder zweimal die Haut gerettet habe. Vielleicht sind wir dann ja einfach quitt. Basta!«
»Ich wollte dir nie wehtun. Wirklich nicht, nie, um nichts in der Welt. Ich wollte mit Lex Schluss machen, aber als wir auf dem Friedhof waren, waren da die Spuren von dieser Sexmagie ...«
»Ach du Scheiße! Das glaub ich ja wohl jetzt nicht. Sind wir zum Arbeiten hier oder zum Labern? Ansonsten hab ich nämlich i clit was Besseres vor.«
»Ich will einfach nur mit dir reden. Ich will dir erklären ...«
»Reden?« Er schüttelte den Kopf; sie sah die Umrisse seines Gesichts im schwachen Schein der Taschenlampe. Er hatte die Augen geschlossen. »Warum? Willst du mir noch mehr Lügen auftischen?«
»Ich habe nicht gelogen! Nicht, als ich gesagt habe, dass ich dich will.«
»Das hör ich mir nicht länger an. Lass uns hier fertig werden, dann kann ich dich nach Hause bringen. Mir wird ... mir wird schon schlecht, wenn ich nur mit dir in einem Raum sein muss. Klar?«
Ja. Ja, alles klar. Es warvorbei. Wirklich und wahrhaftig vorbei. So hatte er noch nie mit ihr geredet, so kalt, so unbeteiligt. Jede Hoffnung, die ihr noch geblieben war, jeder blöde, naive, idiotische Rest einer Hoffnung, dass er ihr eines Tages verzeihen würde, dass es immer noch eine gemeinsame Zukunft für sie geben könnte, dass sie nicht alles komplett vermasselt hatte, starb in diesem Augenblick. Starb und war tot, hier in diesem leeren betongrauen Raum.
All die Jahre war sie allein gewesen, und noch nie hatte sie solche Einsamkeit empfunden, eine Faust in ihrer Brust.
Als sie sich räusperte, klang es in der lastenden Stille unnatürlich laut. Sie räusperte sich noch einmal und hoffte, dass ihre Stimme einigermaßen fest klingen würde, wenn sie sprach, damit er nicht mitbekam, wie nahe sie dem kompletten Zusammenbruch war. »Okay, gut. Dann sehen wir uns jetzt mal nach dieser Tür um.«
Es gab tatsächlich eine niedrige Tür in der gegenüberliegenden Ecke des Gebäudes. Sie gingen hindurch und betraten die Tunnel. Das Peilgerät stieß gedämpfte kleine Piepser aus. Je weiter sie kamen, desto schneller folgten die Signale aufeinander. Und je weiter sie kamen, desto heftiger bestürmte sie auch die ruhelose Energie.
Ihre Füße platschten durch ein trübes Rinnsal, das kaum zwei Zentimeter tief war. Nach etwa dreißig Metern verschwand es in einem Loch im Boden. Als sie einen Blick in die Tiefe warfen, wehte ihnen Magie aus der Finsternis entgegen. Chess nahm an, dass sie jetzt direkt vor dem Stop Shop angekommen waren; was auch immer das Peilgerät aufgespürt hatte, es war dort unten.
»Sieht nicht allzu tief aus, und der Boden scheint auch eben zu sein.« Terrible hockte sich neben die Öffnung, um sie besser ausleuchten zu können. »Also, du zuerst?«
»Ich ... Oh. Klar.« Er wollte sie lieber an der Hand festhalten, als sie unten aufzufangen. Natürlich. So hatten sie weniger Körperkontakt.
Seine Hände hielten ihre umklammert; sie setzte die Füße auf den Rand und stieß sich ab.
Einen Moment lang hing sie im Dunkeln. Der warme Hauch aus dem Gewölbe strich ihr über die Haut. Das Hemd rutschte ihr hoch und gab den Bauch frei. Vollkommen unbedeckt. Sie hatte keine Ahnung, wie tief es runterging. Keine Ahnung, wo sie landen würde. Sie musste ihm vertrauen, und das, obwohl er sie
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