Geisterstadt
Existenz der Tunnel wusste, obwohl er keine Ahnung hatte, wie weit verzweigt sie waren.
Aber sie war auch nicht wirklich scharf darauf, ihm gegenüber Lex’ Namen zu erwähnen. Lieber hätte sie sich die Zunge mit einer Kneifzange rausgerissen.
»Ja? Wie in den was?«
Sie nahm einen Schluck Wasser, um Zeit zu gewinnen. Okay. Irgendwas musste sie nun sagen. Vor allem, weil sie immer mehr zu der Überzeugung kam, dass sie recht hatte, je länger sie darüber nachdachte. Vanhelm hatte irgendetwas in den Tunneln zurückgelassen; die Lamaru benutzten sie, und vielleicht - sie wusste nicht, ob das ein Glücksfall oder das genaue Gegenteil wäre - hatte Vanhelm ja seine Klamotten mit dem Sender dran mitten in ihrem kleinen Hauptquartier zurückgelassen; vielleicht hatten sie sich da unten ja eine Art höllischen Kaninchenbau eingerichtet.
Aber warum trieben sie sich ausgerechnet unter der Erde rum? Sie konnte nicht glauben, dass schwarzmagische Hexen sich unter der Erde wohler fühlten als normale. Klar, so waren sie in der Nähe des Schlachthofs, aber das galt ja auch für eine Menge anderer Orte. Orte, die an der Erdoberfläche lagen.
Sie leerte ihre halbe Wasserflasche, während sie überlegte, was sie sagen sollte; ihr Magen fühlte sich unangenehm voll an. »Die Tunnel unter der Stadt, weißt du? Ich habe gehört ... ich I iahe gehört, dass da unten ein paar Sachen gefunden wurden. So wie der Fetisch und all das, erinnerst du dich noch?«
»Ich hab einfach ...« Nein. Er wusste schon Bescheid. Sie sali es in seinen Augen und an der Art, wie er die Lippen auf-cinanderpresste. Er glaubte sowieso schon - wusste schon -, dass sie eine Lügnerin war; es wäre blöd gewesen, wenn er sie jetzt noch mal beim Flunkern erwischt hätte. »Lex hat es mir verraten.«
»Aber ich dachte, du triffst dich gar nicht mehr mit ihm. Hast du das nicht gesagt?« Die Worte troffen so sehr vor eisigem Sarkasmus, dass sie fast glaubte, ihn auf der Zunge zu schmecken. Scheiße!
»Tu ich auch nicht. Ich meine, nicht so, wie du denkst. Aber als sie die Sachen in den Tunneln gefunden haben, da ist er zu mir gekommen, weil er dachte, ich hätte vielleicht was damit zu tun, also ...«
»Dachte, so was machst du gar nicht. Flüche und so ’n Zeug. Dachte, du bist nicht so ’ne Hexe. Aber ich schätze mal, Lex kennt dich natürlich besser als ich, was? Kann das besser einschätzen, was du so treibst?«
Röte kroch ihm den Hals hinauf; Chess duckte sich unwillkürlich tiefer in ihren Sitz. Früher hatte seine Wut ihr nie Angst gemacht. Aber jetzt lagen die Dinge anders. Sie kannte diesen Blick gut genug, um zu wissen, dass er völlig außer Rand und Band geraten konnte, wenn er in diesem Zustand seinen Gefühlen freien Lauf ließ.
Ganz fair war das nicht. Tief in ihrem Inneren glaubte sie nach wie vor nicht, dass er sie schlagen würde. Aber er konnte sich entscheiden, stattdessen auf etwas anderes einzuprügeln, und das wollte sie lieber nicht sehen. Sie wollte nicht daran denken, dass er sich dabei vorstellte, er hätte sie vor den Fäusten. Dass er es sich vielleicht wünschte.
»Vielleicht wolltest du ja einfach bloß nichts gegen ihn unternehmen. Oder vielleicht hat Bump dir auch nicht genug Kohle geboten, damit du’s machst, hm? Vielleicht hat er dir ja alle deine Bedürfnisse erfüllt, wenn du alles machst, was er sagt? Vielleicht... Fuck!«
Er stieg aus und schlug die schwere Autotür so heftig zu, dass der ganze Wagen wackelte. Durch das Fenster auf der Fahrerseite beobachtete sie, wie er sich gegen die Tür lehnte, und sah zu, wie er den Arm hob und senkte, während er wütend eine Zigarette nach der anderen dampfte.
Ohne Lex konnte sie nicht in die Tunnel hinabsteigen. So viel war ihr klar. Er hatte ihr gesagt, dass er sie mitnehmen würde und dass sie auf ihn warten sollte.
Aber wie viel Warterei konnte man denn noch von ihr verlangen? Sollte sie hier ruhig sitzen bleiben und abwarten, bis Terrible sich beruhigt hatte oder doch zu dem Entschluss kam, dass er immer noch sauer war, und wieder ins Auto stieg, um sie diesmal richtig zur Schnecke zu machen?
Er hatte keine Lust, sich nach Maguinness umzusehen. Prima. Aber deshalb würde sie sicher nicht den ganzen beschissenen Nachmittag hier rumhocken und Däumchen drehen. Sie hatte noch was anderes, was Besseres vor, und er stahl ihr bloß ihre kostbare Zeit. Wenn er auf sie sauer war, war das ja in Ordnung. Sie hatte gesagt, dass sie damit klarkommen würde, und das stimmte
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