Geisterstadt
nervös gewesen. Und auch ohne die Erinnerungen, die sie einfach nicht loswurde, oder die nervöse, irrationale Gewissheit, dass Lex ihr ansah, dass sie mit Terrible zusammen gewesen war, so als ob er selbst nach ein paar Duschen und einer Nacht voll Schlaf noch Spuren auf ihrer Haut hinterlassen hätte.
Draußen war es erst gegen halb sechs. Hier hingegen herrschte ewige, von fluoreszierenden Glühbirnen erhellte Nacht, grell und unnatürlich, in der sich dunkle Schatten bewegten, wenn sie nicht hinsah, und wieder an ihren Platz huschten, sobald sie sich umdrehte.
Sie spielten ihr Streiche, diese Schatten - hinterhältige Kinderstreiche, missgestaltete kleine Figuren ...
Ugh!
Lex musste ihr Erschaudern bemerkt haben. »Du wolltest doch unbedingt hier runter, Tülpi. Hab dich nicht gezwungen. Ich ganz bestimmt nicht.«
»Ich weiß. Es ist nur ... wie weit müssen wir denn noch?«
»Dauert nicht mehr lang jetzt. Spürst du es?«
Sie lauschte einen Augenblick in sich hinein. Spürte sie etwas? Irgendetwas, abgesehen von den nervösen Zuckungen wegen dem Stoff, ganz normaler Unruhe, der Erinnerung an Maguinness’ schreckliche Familie und ... allem anderen?
Ja. Irgendetwas war hier unten, jetzt, da sie sich darauf konzentrierte. Allerdings war es zu weit weg, als dass sie es genau einordnen könnte.
Sie erzählte es ihm, und er nickte. »Genau, wir sind jetzt gleich da. Du weißt, was da los ist, oder? Wer ist das? Passt mir gar nicht, dass diese Lamaru sich in meinen Tunneln rumtreiben.«
»Ich weiß nicht genau, ob es die ... autsch!« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, sich eine andere Formulierung einfallen zu lassen. »Da gibt’s doch diesen Typen, der auf dem Markt mit Tränken handelt, ja? Auf meinem Markt, meine ich. Der hat hier ’ne Höhle oder so was. Oben, an der Neunzigsten, Ecke Foster.«
»Und der steckt hinter allem, ja?«
»Ich glaube, ja.« Glaubte sie? Verdammt, nein, sie war sich ganz sicher. Ebenso wie der Älteste Griffin und hoffentlich auch Lauren, wenn Lauren sie endlich erreichte, um ihr die Neuigkeit mitzuteilen. Im Moment traf sie sich mit ihrem Vater, und beide hatten das Handy ausgeschaltet.
Allerdings machte das auch gar nichts. Es war ja gut und schön, dass sie jetzt Maguinness’/Baldarels wahre Identität kannte, aber solange sie nicht wusste, wo der Drecksack sich versteckte, nützte ihnen das nicht das Geringste.
Lex führte sie nach rechts in einen weiteren, noch düstereren Tunnel. »Also machen sich hier unten noch andere breit. Das gefällt mir gar nicht, Tülpi.«
»Nee. Mir auch nicht.«
Er verzog die Lippen - besser kriegte er ein Lächeln eben nicht hin. »Dachte ich mir schon.«
»Wann kommen denn jetzt die Drähte raus?«
Er zuckte die Achseln. »Noch ’ne Woche oder so, meinen die Ärzte. Wird aber auch langsam mal Zeit.«
; »Es tut mir wirklich sehr leid ...« Die Entschuldigung endete in einem so heftigen Keuchen, dass sie zusammenzuckte. Sie waren jetzt ganz nahe, das spürte sie. Die Energie traf sie unvermittelt wie ein verdeckter Haken in die Magengrube. Sie hatte schon öfter bemerkt, dass die Tunnel gelegentlich einen seltsamen dämpfenden Effekt auf Magie hatten; sieverteilte sich nicht so gleichmäßig wie an der Erdoberfläche, sodass man langsam, aber sicher auf sie aufmerksam wurde und das verräterische Kribbeln schon weit im Voraus spürte, bevor man den Ursprung erreichte. Stattdessen ballte sie sich zusammen und lauerte in den dunklen Zwischenräumen zwischen den Laternen.
»Jetzt hastes, ne?«
Sie nickte. Oh, das war schrecklich! Wirklich, wirklich schrecklich. Das ging über das grauenhafte Gefühl weit hinaus, das ihr noch von dem Krötenfetisch in Erinnerung war, und übertraf selbst die hinterhältige Perversion von Baldarels Familie. Etwas Tieferes, etwas viel Schockierenderes, schwang darin mit und saugte sich daran fest wie Nacktschnecken am Boden eines Steins. Todesmagie - und der Tod selbst. Die Leere, die zurückblieb, wenn einem Körper erbarmungslos das Leben entrissen wurde.
»Du siehst ziemlich blass aus, Tülpi. Alles in Ordnung?«
»Ja ... nein, eigentlich nicht. Da ist ... ach, beeilen wir uns einfach, okay?«
Er zuckte die Schultern. »Ganz wie du willst.«
Seine Finger an ihrem Arm halfen ihr, mit ruhigem Schritt voranzugehen, als sie einen Zahn zulegten. Ihre Füße machten gedämpfte, platschende Geräusche im dünnen Strom ...
In dem dünnen Rinnsal hellroten Wassers, das mit jedem
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