Geisterstadt
weiteren Schritt dunkler wurde. Lex bemerkte es im gleichen Augenblick wie sie; seine gemurmelte Verwünschung spornte sie beide zur Eile an.
Sie mussten nicht weit gehen. Die Leiche lag direkt hinter der nächsten Biegung. Chess sah die wenigen lichten Haarsträhnen unter dem klebrigen, dunklen Blut und gleich darauf das klaffende Loch, wo die Brust gewesen war ...
Vanhelm war regelrecht abgeschlachtet worden, nicht einfach nur ermordet. Es gab keine saubere Schusswunde oder eine aufgeschlitzte Kehle. Keinen Todesfluch, der zu einem qualvollen, aber äußerlich unauffälligen Ende durch Schlaganfall, Herzinfarkt oder langsames Organversagen geführt hätte.
Er hatte überhaupt keine Organe mehr. Er lag da und starrte mit milchigen, weit aufgerissenen Augen an die Decke. Die Brust hatte man ihm aufgerissen und ausgeweidet.
Aber das, was sie dazu brachte, die Augen zu schließen und sich instinktiv zu Lex umzudrehen, damit sie den Kopf an seiner Brust bergen konnte - wobei sie sich natürlich wie die letzte Heulsuse vorkam -, das waren die Bissspuren.
Drei tiefe Atemzüge an dem sauberen Blanks-77-Shirt, das nach Waschmittel, Bauch und Lex roch, reichten aus, um den Kopf einigermaßen wieder klar zu kriegen und die Galle wieder runterzuschlucken. Sie löste sich von ihm und war peinlich berührt, als sie sah, dass auch Lex blass geworden war; doch dann entzündete er mit raschen Handgriffen eine Zigarette, legte den Kopf in den Nacken und stieß Rauch aus. Als er sie wieder ansah, hatte sich seine Gesichtsfarbe normalisiert, und erhob die Augenbrauen, wie immer, wenn er ganz den coolen Lex spielen wollte.
»Riesenscheiße, hm?«
Absurderweise musste sie lachen, ein kurzes Schnauben wie das Bellen eines kleinen Kläffers. Apropos Hunde ...
Chess pflückte ihm die Zigarette aus den Fingern und genehmigte sich selbst einen Zug, bevor sie einen Schritt auf Vanhelms verstümmelten Körper zuging. Okay. Es wäre eine gigantische Übertreibung gewesen zu sagen, dass sie so was nicht erwartet hatte. Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Ob die Lamaru etwa ... ?
Na ja, klar, zweifellos konnten die dahinterstecken. Und Vanhelm hatte zudem mit Hunden gearbeitet, mit der Sorte
Hunden, die derart große Bissspuren hinterließen ... aber verdammt, das mussten schon ein paar Riesenbrocken von Hunden gewesen sein!
Sie zog ein Paar Handschuhe aus der Tasche und hockte sich neben die Leiche, um sie genauer in Augenschein zu nehmen. Es ging doch nichts über eine verstümmelte Leiche, um ein Mädchen auf andere Gedanken zu bringen.
Irgendetwas stimmte hier allerdings nicht. Dass Vanhelm von Hunden attackiert worden und höchstwahrscheinlich auch von ihnen getötet worden war, schien auf der Hand zu liegen. Die lang gezogenen Bissspuren, die Art, wie - sie schluckte -, wie ihm die Kehle aufgerissen worden war, die Klauenspuren auf den Wangen.
Doch während das Blut immer noch das Wasser färbte, das unter ihm und um ihn herum floss, und langsam verblasste, während er ausblutete, so zeigten sich doch keine Spritzer auf dem trockenen Beton. Ein Hund, der einen Menschen angriff und tötete, mochte ja die Organe verschlingen - sosehr ihr bei der Vorstellung auch übel wurde, denkbar war es. Aber konnte er auch das ganze Innere seines Opfers verschlingen, ohne dass etwas davon den Boden berührte oder irgendwelche Spuren zurückblieben?
Und ein Blick in Vanhelms Bauchöffnung zeigte nichts von - na ja, nichts von dem Durcheinander, das sie erwartet hätte, wenn wirklich die Hunde sich an den Organen gütlich getan hätten. Es sali eher aus, als hätte man sie präzise herausgetrennt.
Warum aber sollte jemand warten, bis die Hunde ihn zerfleischt hatten, um ihm dann fein säuberlich Herz, Magen und ... igitt, einfach alles zu entnehmen?
Irgendjemand musste diese Hunde perfekt dressiert haben. Und dieser Jemand musste die Organe auch für einen Zauber gebraucht haben. So ein Mist! Die Leichen von Mordopfern hatten große Macht. Darüber wollte sie lieber nicht zu lange nachdenken. Nicht, dass sie die Wahl gehabt hätte. Wie auch sonst in ihrem Leben.
Lex beugte sich zu ihr und linste nach unten. »Haben nicht viel übrig gelassen, die Köter, hm?«
»Sieht nicht so aus.« Sie erklärte ihm, was sie sich überlegt hatte, wobei es ihr etwas schwerfiel, ihre Gedanken klar zu formulieren. Selbst in ihrem Job sagte man nicht jeden Tag Dinge wie »Sieht nicht so aus, als wäre der Magen herausgerissen worden«.
Lex nickte. Er
Weitere Kostenlose Bücher