Geisterstadt
einzelnen Tür durch.
Bis sie zu dem Apartment am Ende seines Flurs kamen.
Hundegebell ertönte als Antwort auf ihr Klopfen, so vielstimmig, dass beide Frauen einen vorsichtigen Schritt zurücktraten. Es klang nach ziemlich großen Hunden. Und ganz egal, wie oft Hundehalter auch beteuerten, dass ihre Lieblinge ganz brav und gut erzogen waren und eh nur spielen wollten - wie die Sprüche eben immer so gingen -, Tatsache bleib, dass Hunde Rudeltiere waren. Rudeltiere, die sich auch wie Rudeltiere benahmen; es genügte, wenn einer durchdrehte, dann waren die anderen sofort mit von der Partie.
Ihnen wurde also ein bisschen mulmig, als sie sahen, wie sich der Türknauf drehte und gedämpfte »Aus! Platz! Auf euren Platz! Auf euren PlatzU- Rufe aus dem Inneren drangen, das Standard-Begrüßungsvorspiel aller Hundebesitzer. Laurens Hand wanderte an ihre Seite, unter die maßgeschneiderte schwarze Jacke.
Doch sie senkte sie wieder, als das Bellen verebbte und sich die Tür öffnete.
Er war einer der unauffälligsten Männer, die Chess je untergekommen waren. Er war einfach ... durchschnittlich, anders konnte sie es nicht beschreiben. Mittelbraunes Haar, mittelgroß, mittelschwer, und die Standard-Yuppie-Freizeit-Uniform: Kakihosen und Kakihemd. Er fügte sich hervorragend in den Ausschnitt seiner Wohnung ein, der durch die Tür hinter ihm sichtbar wurde; tatsächlich war er so perfekt an seine Umgebung angepasst, dass Chess sich fragte, ob Besucher öfter mal kurz stehen bleiben und ihn suchen mussten.
Lauren stellte sie beide vor. »Wir wüssten gerne, ob Sie uns etwas über Ihren Nachbarn sagen können, Erik Vanhelm? Haben Sie vielleicht mal mit ihm gesprochen oder ihn gekannt?«
Der Kakityp kratzte sich am Kinn. »Hab nie viel mit ihm geredet, nur mal Hallo gesagt, ja? Einmal hatte ich ein paar Freunde zu Besuch, um ein Spiel zu gucken, da ist er rübergekommen und hat ein paar Bier mit uns getrunken. Er hat sich echt gut mit meinen Hunden verstanden.«
»Hat er mal irgendwelche Freunde erwähnt? Irgendwas von sich erzählt?«
»Glaube nicht. Er war, ach, er war einfach bloß ein Nachbar. Wir waren keine Freunde oder so. Ich glaube, er hat mal vom Schlachthof erzählt, weiß nicht mehr, ob er da gearbeitet hat oder was. In der Verwaltung, kann das sein? Er hat was von Bewerbungen erzählt, dass er Bewerbungsgespräche durchführt.«
Chess und Lauren wechselten einen Blick, und in Laurens Augen blitzte dieselbe Neugier auf wie bei Chess. Die meisten I umaru hatten keine Jobs, oder zumindest nichts auf Managementebene, und in Vanhelms dünner Akte stand nichts von einer Beschäftigung. Ging es hier um den gleichen Mann? Oder hatten die Lamaru sich einfach einen armen Trottel ausgesucht und ihm die Adresse geklaut?
Ein Grund mehr, da mal nachzusehen. Sie dankten dem Mann - Chess hatte seinen Namen schon wieder vergessen - und gingen zu Vanhelms Apartment.
Drinnen war es ziemlich karg. Aber nicht völlig leer. Chess nahm an, dass es für einen Mann durchaus möglich war, hier mit so wenig Besitztümern zu leben; verdammt, sie hatte ja auch nicht gerade die tollste Einrichtung. Und man konnte auch nicht behaupten, dass sie viel Zeit damit verbrachte, ihrem Wohn-umfeld eine ganz persönliche Note zu geben. Das meiste, was bei ihr herumstand, kam vom Trödel. Es stand ihr wirklich nicht zu, die Inneneinrichtung anderer Leute zu kritisieren.
Aber selbst ihr kam es vor, als gäbe es hier nur das Allernotwendigste, als hätten sie es mit einer Tarnadresse zu tun. Es erinnerte sie an das Schlafzimmer, das sie einmal großzügig von Pflegeeltern zur Verfügung gestellt bekommen hatte; alles an Ort und Stelle, aber die Staubschicht und die allgemeine Atmosphäre von Vernachlässigung, die abgestandene, muffige Luft in diesen Wänden und die unberührten, steifen Sofakissen sprachen eine ganz andere Sprache.
Aber Dingsbums, der Nachbar, hatte Erik doch gesehen. Er hatte ihn sogar zu Football und Bier eingeladen. Was also hatte er hier drin getrieben?
Ganz bestimmt hatte er nicht gekocht. Im Kühlschrank stapelten sich verschimmelte Schachteln von Bringdiensten. Vielleicht schlief er hier; das Bett war zwar ordentlich gemacht, sah aber immerhin nicht ganz unbenutzt aus. Im Kleiderschrank lagen ein paar Klamotten zum Wechseln.
Chess warf Lauren einen Blick zu, die die nahezu leeren Schubladen der Sperrholzkonnnode an der Wand durchsuchte. Entweder zog er die Kleider dort nur zu anderen Anlässen an, oder Lauren fiel es
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