Geisterstadt
nachweisen konnte, war ihm eine Verurteilung wegen Hochverrats sicher.
»Jeder einzelne eurer Psychopomps wurde von mir persönlich oder einem meiner Leute unter meiner Aufsicht erschaffen und ausgebildet. Seid ganz unbesorgt. Es gibt keinen Grund zur Panik.«
Das schien die anderen zu beruhigen. Aber vielleicht zum ersten Mal seit Beginn ihrer Ausbildung reichte es nicht aus, um Chess zu beruhigen.
Wenn es wirklich keinen Grund zur Sorge gab, warum wurde dann überhaupt dieses Treffen abgehalten? Irgendetwas rumorte in ihrem Hinterkopf herum, irgendein winziger Erinnerungsfetzen, den sie partout nicht zu fassen kriegte.
Allerdings wusste sie sehr genau, dass sie einen Bindenden Eid geleistet hatte, der es ihr untersagte, offen über ihren Fall zu sprechen. Einen Eid, der es ihr unmöglich machte, die anderen darüber aufzuklären, dass die Lamaru die Stadt wieder als Spielplatz für ihr mörderisches Hobby benutzten.
Und das hieß, dass ihre Kollegen, die sich just in diesem Moment mit zufriedenen Gesichtern von den Sitzen erhoben, keine Ahnung hatten, dass die Lamaru unterwegs waren und aufs Neue finstere Pläne ausheckten, um die Kirche zu Fall zu bringen. Sie ahnten nicht, dass sie alle in Gefahr waren und dass die Lamaru gerade in diesem Augenblick planten, jeden Einzelnen von ihnen umzubringen.
Und Chess hatte keinen Zweifel, dass sie auf der Liste ganz oben stand.
»Sei nicht albern, Cesaria! Ich war selbst bei dem Henker zu Hause. Er hat Experimente durchgeführt. Es gibt keine Verbindung zwischen ihm und dem, was heute im Gefängnis passiert ist.«
Das Zuschlägen der Autottir übertönte Laurens Worte, aber zum Glück für Chess - jedenfalls hätte sie von Glück reden können, wenn sie zu den Leuten gehört hätte, die darauf standen, sich von einer schnippischen, hochnäsigen Schlampe Vorträge halten zu lassen - redete Lauren immer noch, als Chess ihrerseits aus dem Wagen stieg.
»Er war ganz eindeutig ein Einzeltäter. Es gibt nicht den geringsten Hinweis auf eine Beteiligung der Lamaru. Nicht den geringsten Hinweis auf die Beteiligung von irgendjemand sonst.«
»Aber wo soll er denn gelernt haben, wie man ...«, setzte Chess zum gefühlt hundertsten Mal an, aber Lauren fiel ihr ins Wort. Auch das war das gefühlt hundertste Mal.
»Ich weiß es nicht, und es interessiert mich auch nicht. Darum kümmern sich andere Inquisitoren. Vielleicht hat er in der Materialabteilung rumgeschnüffelt. Vielleicht hat er sich da mit jemandem angefreundet. Vielleicht hat er irgendwo ein paar Bücher über Psychopomps gefunden. Das braucht uns doch nicht zu interessieren.«
»Ach komm, Lauren. Findest du es nicht ein kleines bisschen verdächtig, dass wir es innerhalb von zwei Tagen gleich zweimal mit Psychopomp-Unfällen zu tun hatten, und zwar gerade jetzt, wo die Lamaru wieder Ärger machen?«
»Nein, finde ich nicht. Ich glaube, der Dingsbums heute hat einfach nicht richtig aufgepasst, was ja ...«
»Sein Name«, fauchte Chess, »war Gaiy. Gary Anderson. Und er ...«
»Na gut. Gary hatleinen Fehler gemacht. Und der Henker - der nebenbei Louis Reynolds hieß - hat auch einen Fehler gemacht. Er hat sich nämlich in Dinge eingemischt, die ihn nichts angehen. Unfälle passieren eben. Das weißt du doch.«
»Wir untersuchen ...«
»Die Lamaru. Und nur die Lamaru. Erinnerst du dich? Die Typen, die im ganzen Bezirk Leichenteile verstreut haben? Konzentrieren wir uns doch bitte darauf.«
Sie warf dem Gebäude zu ihrer Rechten einen bedeutungsvollen Blick zu; das Haus, in dem Vanhelm wohnte, oder zumindest die Adresse, die in seinem Ausweis stand. Mauerwerk in gedeckten Farben, offene Eingangstreppen mit Eisengeländer, der typische Vororts-Standard, bis hin zum Cafe am Parkplatz, damit die Yuppies sich erst mal die tägliche Dosis schaumiger Kaffeespezialitäten einpfeifen konnten, bevor sie überhaupt das Grundstück verließen.
Schon komisch, wie Sucht gesellschaftlich akzeptiert und sogar eine Art Statussymbol war, solange sie die Leute extrovertiert statt introvertiert machte. Egal. Als ob sie was darauf geben würde, gesellschaftlich anerkannt zu sein. Wenn das bedeutete, dass sie sich bei Leuten wie Lauren anbiedern musste, vielen Dank auch. »Klar. Konzentriert. Blenden wir doch alle anderen Möglichkeiten einfach aus und rennen mit Scheuklappen durch die Gegend. Vielleicht haben wir j a Glück und stolpern über eine Lamaru-Höhle, hm?«
Lauren verschränkte die Arme und setzte eine
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