Geisterstadt
und im Moment hatte sie wirklich andere Probleme.
Zum Beispiel, dass das, was sie hier gerade tat, sie den Job kosten konnte. Natürlich machte sie auch so eine ganze Menge, was sie den Job kosten konnte, aber das hier war was anderes.
Sie hockte im Schatten hinter dem Haus des Henkers mit ihrer Schmierölspritze und ihren Dietrichen und war im Begriff, sie auch einzusetzen.
Immerhin verstieß sie damit nicht direkt gegen ihre Befehle. Lauren hatte ihr schließlich nicht verboten, die Wohnung zu durchsuchen. Auch nicht der Älteste Griffin oder sonst einer von den Ältesten. Aber wie Lauren ihr immer wieder einbläute, hatte es eben nichts mir ihrem Fall zu tun. Und das wiederum bedeutete, dass es sich, rein rechtlich gesehen, um Einbruch handelte. Wenn sie erwischt wurde und wenn es hart auf hart kam, würde man sie wegen Einbruchdiebstahls drankriegen, und sie würde ins Kittchen wandern.
Aber sie würde sich natürlich nicht erwischen lassen. Ihr Wagen stand zwei Häuserblocks entfernt. Sie hatte das Haus jetzt fast drei Stunden lang beobachtet, während die Nachbarn eintrudelten, um ihren Nullachtfünfzehn-Feierabend in ihren Nullachtfünfzehn-Wohnungen zu verbringen. Auf der Straße hatte sich seit einer Stunde keine Menschenseele mehr blicken lassen, und langsam verdunkelte sich ein Fenster nach dem anderen, schlagartig, wie ausgeschossen.
Das Haus des Henkers lag im Dunkeln, wie schon den ganzen Abend. Leer. Keine Familie, keine Freunde. Dann also los!
Sie warf sich eine weitere Handvoll Cepts in den Mund und lief geduckt auf die Tür zu. Ein rascher Druck auf den Kolben der Spritze — früher hatte sie ein Spray benutzt, aber nachdem ihr mal alles im Rucksack ausgelaufen war, war sie auf die Spritze umgestiegen, die sich, wie sie eines Nachts herausgefunden hatte, außerdem auch noch prächtig als Mordwaffe eignete —, ein paar Sekunden Arbeit mit dem Dietrich, und die Tür schwang lautlos auf.
Durch die halb geöffneten Gardinen und die Tür fiel genug Licht, damit sie etwas erkennen konnte. Die Taschenlampe trug sie, erwärmt von ihrem Griff, in der Hand, allerdings konnte es die Nachbarn alarmieren, wenn sie sie anknipste. Das sparte sie sich am besten für den Notfall auf. Durch die Tür am Endes des Raumes gelangte sie in die Küche.
Den Debunker-Vorschriften zufolge hätte sie jetzt eigentlich von links nach rechts alle Schränke durchsuchen müssen, bevor sie sich dem Kühlschrank, dem Eisfach und den anderen Elektrogeräten widmete, aber streng genommen war sie gar nicht als Debunkerin unterwegs. Und selbst wenn es ein Fall für eine Debunkerin war, fiel er nicht in ihre Zuständigkeit. Und selbst wenn doch, war die Küche die reinste Suppe aus ekligen Essensresten, leeren Verpackungen und Dreck auf allen Oberflächen. Selbst mit Handschuhen wollte sie sich nur ungern in diese Sauerei stürzen.
Also machte sie stattdessen die Tür hinter sich zu und sah sich ein paar Minuten lang um, während sie Möbel, Stapel von Pornoheften und dreckige Klamotten umrundete und ihre Sinne öffnete. Hätte er hier drinnen Psychopomps erschaffen, dann hätte das magische Spuren hinterlassen. Verdammt, die Abteilung für Psychopomps im Kirchenhauptquartier ließ ihr die Haare zu Berge stehen, wenn sie auch nur in die Nähe kam. Experimente, bei denen Wölfe zu Psychopomps gemacht wurden, würden also mit Sicherheit Spuren hinterlassen.
Aber sie spürte nicht das Geringste.
Okay, Mist, dann also doch. Eine Durchsuchung, wie sie es gelernt hatte. Unter den Möbeln, entlang der Regale an der Wand. Sich durch Papiere wühlen, von denen die meisten eher etwas mit Datingagenturen als mit Magie zu tun hatten. Mitleid regte sich in ihr; Mitleid und Scham. Ersteres, weil einsame Menschen Mitleid verdient hatten, Letzteres, weil sie inzwischen ja wohl auch einsam war, oder?
Ab in die Küche. Sie setzte die Füße behutsam auf den Fliesenboden. Unbenutzte Putzmittel unter der Spüle, Konservendosen in den Schränken, Wodka im Eisfach. Aus seinen Besitztümern konnte sie nichts schließen.
Aber was er nicht besaß, war mindestens genauso interessant. Es gab keine hellen Flecken, die daraufhinwiesen, dass in letzter Zeit etwas entfernt worden war. Seine Ingredienzien bewahrte er offensichtlich anderswo auf.
Die Treppenstufen quietschten nicht einmal, als sie nach oben schlich. Hier wurde der saure Geruch nach leer stehendem Haus stärker - und bis hierhin drang das Licht von den Fenstern nicht. Ihre Handschuhe
Weitere Kostenlose Bücher