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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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innerhalb von zwei Tagen war ein Psychopomp nicht das, was er zu sein schien. Zumindest nahm Chess das an, niemand konnte mit Sicherheit sagen, ob der Psychopomp, der Gary getötet hatte, ein Eindringling gewesen war oder ob Gary ein Fehler unterlaufen war.
    Das konnte jedem mal passieren. Auch Chess hatte sich schon in dieser Lage befunden, und fast jeder Kollege konnte ein Lied davon singen, wie ihn mal »fast der Psychopomp geholt hätte«.
    Irgendwie mochte Chess nicht recht daran glauben, dass es in diesem Fall so gelaufen war. Aber was wusste sie schon? Nur, dass bei ihrem Eintreffen das Blutbad schon ein Ende gefunden hatte, dass Vanhelm entkommen war, dass sie ihn verhören wollte, dass ihr die Zeit davonlief und dass sie sich sicher war, dass er irgendwo da draußen war und in Triumph City untertauchte. Und sie alle miteinander auslachte. Sie grub die Fingernägel in die Handflächen.
    »Zunächst einmal«, fuhr der Großälteste fort, »gehen wir davon aus, dass der Henker, der in die unglücklichen Vorfälle von gestern verwickelt war, auf eigene Faust Experimente angestellt hat. Einige unserer Inquisitoren ...« - er nickte zu Lauen hinüber - »...haben seine Wohnung durchsucht, und so lautet ihr Befund.«
    Das erleichterte Seufzen, das um den Tisch lief, stoppte bei Chess. Trotz der beruhigenden Worte kam ihr der Auftritt des Großältesten irgendwie komisch vor. Sie war schon früher Zeugin gewesen, wie er Bedenken und Sorgen, die ihm andere angetragen hatten, einfach vom Tisch gewischt hatte. Das letzte Mal war erst ein paar Monate her. Damals hatte sie von ihrem
    Versteck im Treppenhaus aus zugesehen, wie er Bruce Wickman - einen Verbindungsmann, der den Großteil seiner Zeit in der unterirdischen Stadt verbachte - abgekanzelt hatte wie eine Jungfrau in der Hochzeitsnacht, nur weil Bruce aufgefallen war, wie unruhig die Toten waren, und er die Ältesten um eine Untersuchung gebeten hatte. Das hatte nicht gerade vertrauenerweckend gewirkt.
    Ebenso wenig wie der Anblick von Laurens stolzgeschwellter Brust. Dieses Ding hatte der Großälteste aufgezogen. Bei allem Respekt und der Loyalität, die Chess für die Kirche empfand, fragte sie sich insgeheim trotzdem, inwieweit Laurens durch und durch nervtötender Charakter nicht doch auch etwas darüber aussagte, was für ein Mann der Großälteste eigentlich war.
    Das war nicht so ganz fair. Wie jede andere Organisation hatte auch die Kirche ihre internen Machtspielchen. Charles Abrams hatte über die Macht und die Kontakte verfügt, um sich seine Position an der Spitze der Kirche dieses Kontinents zu erkämpfen. Das machte ihn noch lange nicht zu einem Genie und erst recht nicht zu einem Halbgott - Götter gab es ja auch gar nicht. Dass er der Großälteste war, bedeutete nicht, dass er keine Schwächen hatte, und es war unfair von Chess, Unfehlbarkeit von ihm zu erwarten. Sie hatte wohl zu allerletzt das Recht, solche Ansprüche an andere zu stellen.
    »Weiterhin sind wir davon überzeugt, dass es sich um einen einmaligen Vorfall handelt. Wir sind noch dabei, die Aufnahmen der Sicherheitskameras für die Inspektion durch die Inquisition vorzubereiten. Sobald die Ergebnisse feststehen, werdet ihr sofort benachrichtigt. Denkt daran«, sagte er und bedachte die Runde mit einem nur allzu vertrauten stählernen Blick, »nur Fakten sind Wahrheit. Spekulationen sind lediglich das: Spekulationen. Zufälle gibt es immer wieder.«
    Klar. Aber wie groß war die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Zwischenfall mit einem Psychopomp kam, wenn ein Mitglied der Lamaru in der Nähe war? Das sollte reiner Zufall sein?
    Vor dem Hintergrund, dass Randy Duncan den Lamaru ein paar Kirchentricks beigebracht hatte, hielt Chess es für durchaus möglich, dass es Vanhelm irgendwie gelungen war, den Psychopomp auf Anderson zu hetzen. Es gab da Mittel und Wege für eine solche Kontrollübemahme.
    Aber wie um alles in der Welt sollte Vanhelm das geschafft haben, wenn er ohne jede Ausrüstung in einer Zelle saß?
    Der Großälteste an der Stirnseite des Tisches nickte. »Ältester Shepherd, ich erteile Euch das Wort.«
    Der Älteste Shepherd erhob sich. Die Haut um seine Augen war dunkel. Chess konnte sich nur zu gut ausmalen, warum. Als Vorsteher der Unterabteilung für Psychopomps in der Materialabteilung musste er sich innerlich bereits auf dem Richtblock gesehen haben, falls sich herausstellte, dass der Fehler bei ihm lag. Und zwar ganz wortwörtlich, denn falls man ihm Vorsatz

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