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Geisterstadt

Geisterstadt

Titel: Geisterstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stacia Kane
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Ist ja nicht so, als ob du jetzt auf der Stelle alles entscheiden müsstest, weil die Chance später vorbei ist, weißt du?«
    Verdammt, hatte sie das gerade wirklich gesagt? Irgendwie hörte sich das sogar ziemlich schlau an. Oder auch nicht. Wie zur Hölle sollte sie das bitte wissen?
    Aber es war schon erstaunlich, wie sehr sie der Gedanke motivierte, dass sie nur diese Frau loswerden musste - diese Frau, mit der sie inzwischen schon gefühlte Jahre verbracht hatte -, um endlich alleine zu sein. Endlich, endlich allein und so wunderbar nahe dran an einer Ohnmacht.
    Lauren nickte. Bingo! »Ja. Ja, ich schätze, du hast recht. Ich fühl mich einfach, ich weiß auch nicht, so schmutzig. Als ob es meine Schuld gewesen wäre. Als ob ich dafür verantwortlich wäre, als ob ich sie dazu angestachelt hätte, mir das anzutun. Als hätte ich eigentlich stark genug sein müssen, mich zu wehren.«
    Schlagartig war Chess’ Triumphgefühl dahin. Mist! Sie würde nie aus diesem Wagen rauskommen, und was noch schlimmer war, sie spürte, wie Laurens Worte ihre eigene Wunde, all die alten Wunden wieder aufriss.
    »>Hätte< gibt es nicht.« Zum ersten Mal in dieser Unterhaltung wusste sie haargenau, wovon sie redete. »Vergiss es! Was passiert ist, ist passiert. Daran kannst du nichts mehr ändern; das Thema ist durch, und jetzt gibt es kein Zurück mehr. Also musst du jetzt einfach nach vome gucken. Ganz egal wie.«
    Damit schien sie bei Lauren einen Nerv zu treffen; Chess war sich nicht sicher, ob sie darüber froh sein sollte oder nicht. Sie hätte zwar alles darum gegeben, endlich aus diesem Auto rauszukommen, aber dass der Preis ausgerechnet aus der Wahrheit bestehen würde, hätte sie nicht gedacht. Echt Scheiße.
    »Danke, Cesaria. Vielen Dank!«
    »Gern geschehen.«
    Sie verabredeten sich lose für morgen; da es nur noch zwei Tage bis zur Zeremonie für den Ältesten Murray waren, konnte keine von ihnen mit Sicherheit sagen, was passieren würde und wie viel Zeit ihnen noch blieb. Diese ganze Unterhaltung hatte viel länger gedauert, als Chess lieb war, und überhaupt hatte dieser ganze schier endlose Tag schon viel, viel länger gedauert, als ihr lieb war, was waren da also noch ein paar lumpige Minuten?
    Endlich sprang sie aus dem Wagen. Ihr verletztes Bein hinderte sie daran, sofort loszurennen, aber die Versuchung war verdammt groß. Sie schloss die große Holztür auf und durchquerte die geflieste Eingangshalle, die einmal das Kirchenschiff gewesen war. So schnell sie konnte, hastete sie die Stufen hinauf, die Schlüssel in der einen und das Pillendöschen in der anderen Hand. Sobald sie drinnen war und die Tür hinter sich zugemacht hatte ...
    Oder auch nicht.
    Lex wartete vor ihrer Wohnungstür auf sie, den schlaksigen Körper lässig gegen den Türpfosten gelehnt. »Hey, Tülpi«, sagte er. »Wo hast du dich denn rumgetrieben?«

20
    Ein Versprechen an die Kirche ist wichtiger als jedes andere. Nicht nur, weil die Kirche dich beschützt, sondern auch, weil die Kirche dich ständig beobachtet.
    Das Buch der Wahrheit, »Veraxis«, Artikel 1340
    Die Schwellung in seinem Gesicht war zurückgegangen; er sah jetzt wieder aus wie er selbst, und nur eine leichte Anspannung in seinem Kiefer verriet ihr, dass der Knochen immer noch mit Draht gerichtet war.
    Scheiße, freute sie sich etwa wirklich gerade, ihn zu sehen?
    Ja. Ja, tat sie irgendwie wirklich. Trotz der Auseinandersetzung, die ihnen jetzt sicherlich bevorstand, trotz ihrer Entschlossenheit, nicht das zu tun, was ihr bei seinem Anblick sofort in den Sinn kam ... trotz alldem war sie wirklich froh, ihn zu sehen.
    Und das lag nicht mal nur daran, dass sie wusste, dass in der Innentasche seiner Lederjacke ein Pillentütchen auf sie wartete.
    Jedenfalls nicht nur.
    »Hey.« Das kam etwas atemlos; der Jogginglauf die Treppe hoch hatte ihre strapazierte Lunge mehr mitgenommen, als sie zunächst bemerkt hatte. Und natürlich war sie überrascht. Und sah wahrscheinlich zum Fürchten aus, dreckig, abgerissen und stinkend wie ein fettiger Grill.
    Das blieb auch ihm nicht verborgen. »Verdammt, Mädel! Weiß
    ja, dass wir uns lange nicht gesehen haben, aber dass du dir die Tollwut einfängst, hätte ich jetzt doch nicht gedacht.«
    »Haha! Ich bin in einen Brand geraten.«
    »Ach, echt? Dachte, das kommt von so ’ner Hexensache bei der Kirche.«
    »Nein.« Er roch nach Seife und Leder; ein Hauch davon stieg ihr in die Nase, als sie sich an ihm vorbeidrängte, um ihre

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