Geisterstunde
eindeutig ein Schema. Nach den übereinstimmenden Aussagen der anderen hatte Dellwood keine Zeit für einen kleinen Ausritt gehabt.
Ich hatte ihn genausowenig verdächtigt wie Kelle.
Peters war der nächste. Er ärgerte sich zwar darüber, verdächtigt zu werden, gehorchte aber trotzdem. Der General schien wieder zu dösen, aber das bedeutete nichts.
Peters erzählte mir nichts, was ich nicht schon gewußt hatte.
Er hatte kaum zu Ende geredet, als Jennifer sich meldete. »Mr. Garrett, so heißen Sie doch, oder ist das auch ein falscher Name? Nehmen Sie mich als nächste? Ich kann das alles kaum noch ertragen.«
»Willkommen im Klub. Schießen Sie los.«
Sie hatte den ganzen Morgen über nichts anderes getan, als in ihrem Zimmer zu hocken und zu stricken. Dellwood konnte das bestätigen, denn er hatte sie da gefunden, als er mit den Neuigkeiten über Hawkes angekommen war.
Fein.
»Kann ich jetzt gehen? Ich bin müde und habe Kopfschmerzen.«
Das konnte ich nachfühlen. Mir brummte ebenfalls der Schädel. Vermutlich war eine Grippe im Anzug, kein Wunder bei dem Wetter. »Noch nicht. Halten Sie mit mir durch. Ich beeile mich auch. Wer ist der nächste?«
Keine Freiwilligen, also pickte ich Tyler heraus. Er gab sich keine Mühe, seine Gereiztheit zu verbergen, während er die Ereignisse des Morgens beschrieb. Sie waren langweilig, stimmten mit den Erklärungen der anderen überein und verrieten mir nichts über den Täter. Auch er hatte Dellwood gesehen.
»Kaid? Wie wäre es mit Ihnen?«
Noch eine langweilige Geschichte, mit ausführlichen Details über die Patrouille.
Die Idee zahlte sich nicht aus. Nur Dellwood und Kelle waren aus dem Schneider. Letztere auch nur zu neunzig Prozent. »Dellwood, es ist vermutlich Zeitverschwendung, aber machen Sie nur.«
Sein Bericht war nur unbedeutend knapper als der von Kelle. Und er brachte mich nicht auf eine heiße Spur. Fast jeder hatte Zeit genug gehabt, Hawkes zu erledigen.
Man muß eben jeden Stein umdrehen, und sei er auch noch so winzig.
»Dank Ihnen allen für Ihre Geduld und Kooperation. Ich werde sicher noch häufiger mit Ihnen reden müssen. Kein Mörder ist perfekt. Wenn Ihnen etwas einfällt, lassen Sie es mich wissen. Ich werde Ihre Aussage diskret behandeln. Sie können jetzt gehen.«
Geschlossen stürmten sie zur Tür und vergaßen dabei, daß ich den Schlüssel hatte. Jennifer fiel es als erster ein. Sie schrie danach und pöbelte wie ein Kutscherknecht. Ich warf ihn ihr zu. »Noch eins, Leute. Es muß noch eine Frau hier im Haus sein.« Ich beschrieb sie. »Wer ist sie? Ich will es wissen, Geheimnis oder nicht.«
Die meisten sahen mich verblüfft an. Zwei warfen mir Blicke zu, als zweifelten sie ernsthaft an meiner Gesundheit. Dann gingen sie hinaus, bis auf Dellwood, der den Schlüssel zum Schreibtisch zurückbrachte. »Ich bringe den General zu Bett, Sir. Wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Hab ich nicht, wenn er damit einverstanden ist.«
»Gehen Sie nur, Garrett«, sagte der alte Mann. Er hatte also nicht geschlafen. »Mir fehlt die Kraft weiterzumachen. Kommen Sie nach dem Frühstück zu mir.«
»Ja, Sir.« Ich stand auf und verließ das Zimmer.
Es war schon nach Mitternacht, und ich war müde. Sollte ich mich ein paar Stunden aufs Ohr legen? Schlafen würde jetzt, wo der alte Mann mich quasi zum Abschuß freigegeben hatte, nicht ganz einfach werden.
Nein. Erst zu Schleicher. So wie die Sache sich bisher entwickelte, konnte er mir wahrscheinlich nichts Nützliches verraten. Aber man wußte ja nie. Wenn er etwas hatte, mußte ich vielleicht keine Angst mehr haben, im Schlaf mit der Axt erschlagen zu werden.
Ich ging den Flur entlang. Und wurde abgelenkt.
Schon wieder sie. Blondie trat auf die Empore gegenüber dem Flur, der vom Raum des Generals abging. Es war meine Galerie. Ich blieb wie angewurzelt stehen und beobachtete, wie sie wie in einem Tagtraum dahinschwebte. Sie bemerkte mich nicht. Ich rannte über die Treppe in den fünften Stock, schlich in den Ostflügel und pirschte mich auf die Empore darunter.
Alles umsonst. Sie war weg.
Ich würde ihr wohl eine Falle stellen müssen, wenn ich mit ihr reden wollte.
Und das wollte ich.
Der Verstand spielt einem Streiche. Sie bemächtigte sich allmählich des Teils von mir, der gegen die faszinierende Jennifer unerklärlicherweise immun zu sein schien.
17. Kapitel
Solange ich noch das Zimmer am Ende des Flurs hatte, schien es mir ratsam, meine Ausrüstung etwas
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