Geisterstunde
zu, wie sie es beobachteten. Sie waren schockiert, vielleicht sogar enttäuscht oder wütend, aber keiner von ihnen rührte sich oder fiel auf die Knie und gestand.
»Dieses Testament war eine Mordwaffe, genauso effektiv wie eine Klinge. Aber ich will jetzt keine Rede halten. Die Tatsachen sprechen für sich. Das Motiv ist eliminiert. Das Testament wurde außer Kraft gesetzt. Ich werde in ein paar Tagen ein neues aufsetzen.«
Er blickte jedem Einzelnen von ihnen in die Augen. Keiner wandte den Blick ab. Alle wirkten verwirrt und bestürzt.
Schließlich brach Dellwood das Schweigen. »Sir, ich verstehe es nicht.«
»Das hoffe ich sehr. Die, die es nicht verstehen, bitte ich um Geduld. Es wird sich klären. Zunächst jedoch möchte ich den Mann neben mir vorstellen. Sein Name ist nicht Sexton, sondern Garrett. Mr. Garrett ist Ermittlungsfachmann, doch das ist nur eins seiner vielen Talente. Ich habe Mr. Garrett engagiert, damit er herausfindet, wer mich bestiehlt. Bis jetzt verlaufen seine Bemühungen zu meiner vollsten Zufriedenheit.«
Der alte Knabe war bestimmt ein blendender Schachspieler.
»Mr. Garrett hat außerdem Beweise für ein weitaus abscheulicheres Verbrechen gefunden. Er hat mich davon überzeugt, daß einer von euch eure Kameraden getötet hat, um sich einen größeren Anteil von meinem Erbe zu verschaffen.«
»Sir!« protestierte Dellwood, während die anderen sich unruhig ansahen.
»Mr. Garrett war während seiner Dienstzeit Scout, Dellwood. Er hat heute die Spur des angeblichen Wilderers bis zu unserem Stall zurückverfolgt.«
Er redete nicht lange um den heißen Brei herum, und er war sehr präzise. Sie sollten genau das glauben und nicht auf die Idee kommen, daß ich die Spur auf den Äckern verloren hatte. Der General wollte jemanden unter Druck setzen.
»Mr. Garrett hat einen exzellenten Ruf in solchen Angelegenheiten. Ich habe ihn gebeten, den Mörder aufzuspüren. Er hat eingewilligt. Ich vertraue rückhaltlos auf seine Fähigkeiten. Und euch erzähle ich das alles nur, damit ihr wißt, wo ihr steht. Seid ihr unschuldig, will ich, daß ihr mit ihm zusammenarbeitet. Je eher die Sache zu einem Ende gebracht wird, desto besser. Und du, der Schuldige, du solltest dich lieber aus dem Staub machen. Ich möchte dir versichern, daß ich dich so unbeirrt jagen werde wie ein Bluthund aus der Hölle. Du hast mein Vertrauen mißbraucht. Und den Schmerz, den du mir zugefügt hast, kann ich nicht verzeihen. Ich hole mir deinen Kopf und dein Herz, wenn ich dich erwische.«
Ich sah ihn nicht an, obwohl es mir schwerfiel. Der alte Teufel war weiter gegangen, als ich erwartet hatte.
Indem er das Testament verbrannte, hatte er das drohende Unheil von den unschuldigen Opfern abgewendet. Keiner hatte jetzt noch etwas zu gewinnen. Starb der General jetzt, würde sein Besitz an die Krone fallen, was bedeutete, daß alle verloren. Selbst der Giftmischer mußte ein Interesse daran haben, ihn so lange am Leben zu erhalten, bis er ein neues Testament aufgesetzt hatte.
Ein cleverer Mann, dieser General Stantnor. Allerdings ließ er mich damit im Regen stehen.
»Ihr kennt jetzt eure Lage«, schloß er. »Mr. Garrett, fragen Sie bitte, was Sie möchten.«
»Sir …?« begann Schocke.
»Nein, Sergeant Schocke, Mr. Garrett stellt hier die Fragen. Sie reden, wenn Sie gefragt werden. Wir bleiben solange hier, bis Mr. Garrett zufrieden ist.«
»Solange wird Mr. Garrett kaum wach bleiben können«, warf ich ein.
Ich bin nicht der typische, eitle, kleine Schnüffler, der alle Verdächtigen zusammentrommelt, dann den Schuldigen in ein Netz schlauer Fragen einspinnt und schließlich mit seinem dicken Finger auf ihn zeigt. Mein Stil entspricht eher dem des Elefanten im Porzellanladen. Oder des Nilpferdes, das in den Teich springt und herumplanscht, bis die Frösche erschreckt heraushüpfen. Jetzt könnte ich den Toten Mann gut gebrauchen. Eine seiner nützlicheren Fähigkeiten ist die, daß er Gedanken lesen kann. Diesen Fall hätte er in Null Komma nichts gelöst.
So ganz konnte ich die Vorstellung nicht abschütteln, daß jemand von außerhalb mit unergründlichen Motiven der Schuldige sein mochte. Erst mußten alle Argumente widerlegt werden, die gegen eine Verwicklung dieser Leute hier sprach, bevor ich diese Möglichkeit gänzlich beiseite schieben konnte.
Sie sahen mich abwartend an. Der Blick des Generals schien zu besagen: ›Los, zeig uns mal was von deiner berühmten Garrett-Ein-Mann-Show,
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