Geisterstunde
sie?«
Ich versuchte, so genau wie möglich die Zeit zu schätzen. Da Eierkopf dabei war, würde es kaum Verzögerungen geben. Er würde die Kerle einfach am Schlafittchen packen und herschleppen. »Ich denke, in zwei Stunden. Wenn möglich, würde ich den Hehler gern hereinschmuggeln, ohne daß ihn jemand sieht. Dann können wir ihn überraschend mit dem Schuldigen konfrontieren.«
Er knurrte wieder und deutete auf die Forke. »Nicht nachlassen.« Wir schleuderten im Takt die Pferdeäpfel durch die Luft. »Ich kümmere mich darum. Zuerst muß ich aber zum General. Irgendwas ist hier immer los.«
»Ich verspreche mir eine Menge von dieser Sache«, sagte ich.
»Wirklich?«
»Vielleicht kommen die Dinge dadurch ins Rollen. Wenn es klappt, könnten wir die ganze Angelegenheit heute abend noch abschließen.«
»Sie waren immer schon zu optimistisch.«
»Glauben Sie nicht daran?«
»Nein. Sie haben es hier nicht mit Ihren gewöhnlichen Einfaltspinseln zu tun. Diese Kerle kann man nicht einfach aufrütteln. Sie werden nicht so leicht in Panik geraten. Passen Sie lieber auf sich auf.«
»Das habe ich auch vor.«
Er senkte die Mistgabel. »Machen Sie allein weiter. Ich will aufräumen.«
Ich sah ihm nach, wie er zur offenen Tür ging, und grinste. Seine Ohren standen ab wie Henkel an einem Krug.
Ich warf noch drei Gabeln mehr auf den Mistwagen und machte dann Feierabend. Mama Garrett hatte ihren Sohn nicht großgezogen, damit er Stallbursche wurde.
Ein Dutzend Schritte von der Scheune entfernt hatte ich plötzlich einen Einfall. Ich drehte mich um und ging in Schleicher Bradons Arbeitszimmer. Dort fummelte ich fünf Minuten an einer Lampe herum, bis sie endlich brannte. Schleicher war nicht mehr hier. Was sie wohl mit ihm gemacht hatten? Auf dem Friedhof war jedenfalls kein frisches Grab ausgehoben worden.
Mist! Ich hatte doch Peters nach Tyler und dem Zombie fragen wollen!
Ich vermißte die bohrenden Fragen des Toten Mannes. Ich war einfach nicht aufmerksam genug. Vielleicht wurde ich ja zu eigenbrötlerisch und paßte nicht genug auf. Wenn der Tote Mann mir sagte, was ich zu tun hatte, unterliefen mir solche Fehler nicht. Ich ging die Liste durch, Punkt für Punkt.
Gut. Ich hatte versäumt, Schleicher rechtzeitig zu treffen. Das hieß allerdings nicht, daß er mir nicht trotzdem noch etwas erzählen konnte, wie der Tote Mann mir immer wieder klargemacht hatte. Sie konnten mir alles mögliche erzählen, freiwillig oder nicht, wenn ich mich nur konzentrierte. Fang gleich damit an, Garrett, und zwar hier.
Ich wiederholte das, was ich getan hatte, als wir Schleicher fanden. Aber diesmal bekam ich nichts heraus. Dafür widmete ich mich jetzt dem beklecksten Tisch. Das hatte ich zuvor nicht gemacht. Diese Seite von Schleicher hatte ich sogar völlig außer acht gelassen.
Kelle hatte mir gesagt, er habe ein enormes künstlerisches Talent. Ein anderer hatte behauptet, er habe sogar die Zauberin Vangoria Schwarz gemalt. Überall gab es Anzeichen dafür, daß er auch hier produziert hatte. Diese Seite des Mannes paßte nicht zu dem anderen Bild Bradons, jedenfalls nicht in meiner Vorstellung. Künstler schmarotzten bei den Lords aus der Oberstadt. Ganz gleich, wie gut sie sind, sie können nie von dem leben, was sie da tun. Für mich war Bradon einfach kein Künstler gewesen, weil er nicht in diese Kategorie fiel.
Der Tisch bewies, daß er viel gearbeitet hatte. Aber wo waren die Ergebnisse? Der Tisch war bestimmt nicht Schleichers Gesamtkunstwerk.
Ich begann eine gründliche Suche und zog, von Schleicher Bradons innerstem Heiligtum ausgehend, immer weitere Kreise. In dem Raum fand ich, außer Zutaten für die Farbenherstellung, nichts Interessantes. Ich erinnerte mich, wie bekleckert er gewesen war, als wir untersucht hatten, was aus Hawkes geworden war. Er mußte in letzter Zeit an etwas gearbeitet haben.
Direkt neben Schleichers Behausung gab es eine Sattelkammer. Jemand hatte sie vollkommen auf den Kopf gestellt.
Das überraschte mich. Machte sich jemand noch nach Schleichers Tod Sorgen um ihn? Sieh mal einer an. Und Garrett war nicht clever genug gewesen, um als erster darauf zu kommen.
Hatte die Person etwas gefunden, dann hatte sie dafür gesorgt, daß es keine Spuren hinterlassen hatte. In dem Raum lagen nur ein Haufen Pinsel und Bürsten verstreut auf dem Boden, einige davon waren zerbrochen. Ob Bradons Hobby ein Geheimnis gewesen war? Eines dieser Art, von dem jeder weiß, aber über das keiner
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