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Geisterstunde

Geisterstunde

Titel: Geisterstunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glen Cook
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die Frau wirkte auch noch schöner. Dann ein paar Bilder von Männern, die ich nicht kannte, vermutlich einige der Vermißten. Dann eins von Dellwood, das mich an einen Basset erinnerte. Vermutlich wollte Schleicher damit ausdrücken, daß er Dellwood für einen braven alten Hund ohne eigenen Willen oder Verstand hielt. Dahinter stand eins von Peters, an dem entweder der Künstler oder der Betrachter scheiterte. Ich konnte nichts daraus entnehmen. Dann eins von Kelle, das anscheinend in einem romantischen Anfall entstanden war. Sie wirkte wie eine Heilige, die heilige Mutter Teresa der ganzen Welt. Dann wieder eins von Jennifer, das in der Darstellung der Dualität von Schönheit und Horror beinah abstoßend wirkte.
    Nachdem ich den ersten Schrecken überwunden hatte, betrachtete ich es genauer. Ein Teil seiner Wirkung erzeugte es auf einer fast unbewußten Ebene. Ich weiß nicht, wie Schleicher es geschafft hatte, aber er hatte zwei Gesichter gemalt, eins über dem anderen. Das obere war von blendender Schönheit, und das untere wirkte wie der Schädel des Todes. Man sah es nur, wenn man das erstere lange und scharf musterte.
    Die Pferde waren aufgeregt. Ich wunderte mich zwar darüber, aber ich war vollkommen von der Magie, ja der Zauberei von Schleicher Bradons Kunst gefesselt.
    Es war eine Sünde, daß Jennifers Schönheit verborgen blieb, und es war das Verbrechen des Jahrhunderts, daß Bradons Gemälde ungesehen blieben. Sie würden vermodern und verfaulen.
    Bevor ich Jennifers Bild wieder zurückstellte, schwor ich, eine Möglichkeit zu finden, die Gemälde herauszuschmuggeln.
    Schleicher Bradon sollte nicht dem Vergessen ausgeliefert werden.
    Hatte er Jennifer geliebt? Sie war das einzige Sujet, das er mehr als einmal gemalt hatte. Bis auf eine Szene, die aussah wie ein Vorher und Nachher eines nicht-menschlichen Ortes, der das Pech hatte, mitten in eine menschliche Schlacht zu geraten. Das spätere Bild stank förmlich nach Verwesung durch die Leichen, die Raben und die Knochen. Es wirkte wie eine Parabel auf die Welt.
    Ich putzte mir die Nase. Bevor sie erneut verstopfte, bemerkte ich einen bisher unbekannten Duft. Was war das? Ich zuckte die Schultern und machte weiter.
    »Aha! Scheiße! O du heilige Scheiße!« Das war kein Fluch, Freunde, sondern ein Triumphgeheul.
    Schleicher hatte meine Lady in Weiß gemalt. Er hatte sie als Inkarnation der Schönheit dargestellt. Aber auch sie umgab etwas von dem Schaurigen, das er den Porträts von Jennifer und dem General verliehen hatte.
    Sie bewegte sich, rannte und wirkte verängstigt. Hinter ihr war es dunkel. Der Betrachter sah, daß diese Dunkelheit sie verfolgte, aber man konnte nicht genau erkennen, was es war. Je genauer man hinsah, desto schwerer konnte man es bestimmen. Die Frau blickte einem direkt in die Augen. In die Augen des Künstlers. Ihre rechte Hand schien nach Hilfe zu greifen. Sie schien zu ahnen, daß der Betrachter wußte, was hinter ihr her war.
    Es faszinierte mich. Die Wirkung war genauso stark wie die Sumpfbilder. Nur bekam ich diesmal nicht heraus, warum, weil ich mir dieses Bild nicht mit Begriffen aus meiner eigenen Vergangenheit erklären konnte.
    Ich schneuzte mich noch einmal und nahm erneut den Geruch wahr. Diesmal erkannte ich ihn.
    Rauch!
    Die verfluchte Scheune brannte! Kein Wunder, daß die Pferde unruhig waren!
    Ich kletterte aus der Höhle und trat an den Rand der Tenne.
    An dem Ende, an dem Peters gearbeitet hatte, prasselten meterhohe Flammen. Die Pferde waren schon herausgelaufen. Draußen hörte ich Schreie. Die Hitze war unerträglich.
    Meine Lage war nicht aussichtslos – noch nicht. Wenn ich schnell reagierte, konnte ich mich retten.
    Ich wußte genau, wie lange Morpheus mir meine Blödheit vorhalten würde, als ich wieder in die Höhle krabbelte. Er würde mir mindestens ein Jahr unter die Nase reiben, daß ich mein Leben wegen einiger vollgeschmierter Leinwände riskiert hatte.
    Ich packte ein Dutzend Gemälde des hinterwäldlerischen Klecksers zu einem Bündel zusammen, das ich gerade noch heben konnte, und zerrte sie hinaus. Das Feuer verbreitete sich rasend schnell. Die Flammen hatten mich schon fast erreicht, als ich herauskam. Die Hitze traf mich wie eine Keule. Meine Augenbrauen versengten, und meine Augen verdorrten. Ich stolperte weiter. Die Flammen verfolgten mich.
    »Blödmann!« knurrte ich. Die Hitze verbrannte mir fast den Nacken, und jetzt tränten meine Augen so sehr, daß ich kaum noch etwas sehen

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