Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
ein wenig Angst.
Das Lampenfieber vor der letzten großen Vorstellung , dachte er.
Aber es war nicht nur Angst, die ihm Übelkeit bereite. Es war auch ein Bedauern. Ein Bedauern, dass er keine Möglichkeit mehr auf ein erfülltes Leben bekommen hatte. Dass er Beverly allein zurücklassen musste. Und dass er seine Tochter nicht noch einmal im Arm halten und ihr sagen durfte, wie sehr er sie liebte.
Und dann überwältigte ihn die Trauer, die aus schierem Egoismus gespeist wurde. Er setzte sich einen Moment und weinte in ein Küchentuch.
Diesen Moment des Selbstmitleids wollte er sich noch gönnen, bevor er ging.
Und er genoss diesen Moment in vollen Zügen.
5
Hinterher ging es ihm besser.
Er schnaubte sich die Nase, nahm den Brief und ging zur Eingangstür.
Nachdem er nach den Autoschlüsseln gegriffen hatte, schaute er abwartend in den ersten Stock.
Alles blieb ruhig. Die Schlafzimmertür bewegte sich nicht.
Es war absolut still.
Jack löschte das Licht und öffnete die Tür. Auf der Schwelle ließ er seine Hand über den Türrahmen gleiten.
Dann warf er einen letzten Blick ins Innere und zog die Tür zu.
Es waren nur ein paar Meter zum Auto. Aber jeder Schritt, den er tat, war schwer wie Blei.
Er setzte sich ins Auto und atmete mit geschlossen Augen tief ein.
Plötzlich klopfte es am Fenster auf der Beifahrerseite.
Jack ruckte erschreckt den Kopf herum und sah in Peters mürrisches Gesicht.
»Wo willst du denn hin?«, fragte dieser kalt und wissend.
Peter wusste ganz genau, was sein Freund vorhatte.
Verdammt!
Jack hatte das Fenster einen Zentimeter offen stehen lassen, deshalb konnte er jetzt schlecht so tun, als hätte er Peter nicht verstanden.
»Ich glaube nicht, dass ich dir eine Erklärung schuldig bin. Geh wieder nach Hause, Peter.«
»Das hättest du wohl gerne.«
»Lass mich in Ruhe! Ist das zu viel verlangt?«
»Den Teufel werde ich tun.«
»Bitte, Peter! Du hast ja nicht die leiseste Ahnung, worum es geht. Ich habe es eilig. Lass mich in Ruhe! Ich werde jetzt den Motor anlassen und du gehst wieder nach...«
Aber Peter hörte gar nicht zu. Blitzschnell öffnete er die Autotür und schwang sich auf den Beifahrersitz.
»Sag mal, bist du jetzt völlig übergeschnappt? Raus hier! Oder ich werde...«
»Oder du wirst was? Mich umbringen? Bitte. Nur zu!«
Jack krallte sich ans Lenkrad und schloss fassungslos die Augen. »Das kann doch nicht wahr sein!
Hau ab, Peter! Oder ich hau dir eine rein!«
»Ich werde nicht gehen. Ich weiß ganz genau, was du vorhast.«
»Einen Dreck weißt du!«
»Entweder wir machen es zusammen, oder du fährst nirgendwo hin.«
»Ich werde mir nicht von dir vorschreiben lassen, was ich zu tun oder zu lassen habe! Verschwinde!«
»Nein!«
»Willst du mich provozieren? Ja? Ist es das? Willst du, dass ich dir eine reinhaue?«
»Wenn wir sterben, dann zusammen.«
»Halt dein Scheißmaul! Du hast keine Ahnung wovon du sprichst!«, schrie Jack ihn an.
»Ich habe keine Lust mehr auf diesen ganzen Mist. Ich habe keine Lust mehr, so zu tun, als würde mich noch irgendetwas interessieren. Also werde ich es sowieso tun«, sagte Peter.
Jack war den Tränen nahe. »Sei still, du verdammter Mistkerl! Sei doch endlich still!«
Peter blieb ganz ruhig. »Warum lässt du es uns nicht gemeinsam machen?«
»Du weißt ja gar nicht, wovon du sprichst! Du hast ja nicht die geringste Ahnung, du Idiot! Raus hier! Raus!«
»Wir können es zusammen tun, Jack!«
»Nein!«, schrie er, ballte seine Rechte zu einer Faust und schlug Peter auf die Nase.
Verstört über seine Tat starrte Jack auf seine Faust.
Sein Schlag in Peters Gesicht kam aus dem Affekt und war weder besonders gefährlich noch geschickt.
Es reichte aber immerhin aus, um einen schmalen Rinnsal Blut aus Peters Nase laufen zu lassen.
Wie paralysiert beobachtete Jack, wie Peter den Schlag beinahe ungerührt wegsteckte und sich gemächlich ein Taschentuch aus der Hosentasche hervorholte, um sich seine Nase abzuwischen.
»Fühlst du dich jetzt besser?«, fragte Peter irgendwann.
Jack sah seinen Freund mit einer Mischung aus Reue und Hass an.
Und dann fiel ihm das letzte Bild ein. Das dritte Bild, das der Geist ihm gezeigt hatte: Jack, wie er am Abgrund stand. Neben ihm eine Person, deren Gesicht mit der Dunkelheit verschmolzen war. War diese Person Peter? Hatte die Stimme nicht gesagt, Peters Zukunft sei ungewiss?
Sollte sich Jack diesem Bild, von dem er erst seit kurzem überzeugt war,
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