Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
sprechen. Es war mir ein wenig peinlich.
»Ach, nur ein Poltern, das ich mir nicht erklären konnte. Nichts Besonderes.«
Elizabeth sah mich eindringlich an. »Das liegt an diesem Ort hier. Es gibt kaum jemanden, der hier in Lost Haven lebt und nicht schon mal glaubt, des Nachts etwas Unheimliches gehört zu haben, das er sich nicht erklären konnte.«
Ich hatte nicht gesagt, dass es unheimlich war.
»Ich weiß«, antwortete ich. »Ich bin wohl vor der suggestiven Kraft dieses Ortes auch nicht gefeilt.«
»Niemand ist das. Vergessen Sie es einfach.«
»Schon gut. Ich werde Sie dann nicht mehr länger stören.«
Elizabeth machte eine wegwerfende Handbewegung. »Sie stören mich doch nicht. Sie können jederzeit zu mir kommen, wenn Ihnen danach ist. Sie wissen doch, wie sehr ich mich über Ihre Gesellschaft freue.«
»Danke, Elizabeth«, sagte ich und machte mich auf zum Hafen.
2
Am Lost Haven Harbour war eine Menge Betrieb. Die Wolken vom Vormittag hatten der Sonne Platz gemacht. Segelboote tummelten sich auf dem Wasser. Die Restaurants waren voll belegt. Überall machte irgendwer ein Foto. Die letzte Phase eines ertragreichen Sommers für den kleinen Ort neigte sich dem Ende zu.
Ich saß am Wasser auf einem Ankerpoller, schaute aufs Wasser und genoss mein Fischbrötchen. Meine Gedanken hatten sich endlich von der letzten Nacht gelöst. Die kurze Unterhaltung mit Elizabeth hatte mir sehr gut getan.
In so einem Moment und an so einem Ort war es schwer vorstellbar, dass jemand überhaupt Sorgen oder Probleme haben könnte. Ich musste schmunzeln bei diesem Gedanken.
Ich brauchte etwas Ablenkung. Ich hätte ins Kino gehen können. Dort war schon seit über einem Jahr nicht mehr. Da es jedoch mit dem Auto eineinhalb Stunden bis zum nächsten Lichtspielhaus dauern würde, überlegte ich mir stattdessen, ein gutes Buch zu kaufen. Vielleicht war ja der neue King schon da. Wäre sicher eine gute Idee zu sehen, was die überlegende Konkurrenz so schrieb.
Schnellen Schrittes hechtete ich zu Beaver’s Books, um noch rechtzeitig vor Ladenschluss da zu sein. Zum Glück schaffte ich es noch. Melissa war gerade dabei, die fahrbaren Buchtische von der Straße ins Geschäft zu zerren. Ein Arbeit, die ihr sichtlich kein Vergnügen bereitete.
»Mr. Rafton! So spät habe ich Sie hier noch nie gesehen.«
»Ja, ich weiß. Ich musste aber kommen, weil mich plötzlich der Heißhunger auf einen spannenden Roman gepackt hat«, sagte ich gut gelaunt und rieb mir die Hände.
Mr. Beaver’s Tochter zog die letzten drei Wagen ins Ladeninnere und ich half ihr dabei. Nach getaner Arbeit schnaufte sie und drückte den Rücken durch. »Danke für Ihre Hilfe. Die Dinger sind ganz schön schwer.«
»Kein Problem.« Ich schaute zu Mr. Beaver, der wie immer hinter seinem Lesegerät saß. »Guten Abend«, sagte ich.
»Sind Sie auf der Suche nach einem Last Minute Buch, Mr. Rafton?«, fragte er wieder einmal, ohne seinen Blick vom Bildschirm zu lösen.
»Sie haben es erfasst.«
Ich wandte mich wieder an Melissa, weil ich sie nach dem Roman fragen wollte. Doch als ich sie ansah, schaute sie zurück, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte.
»Alles klar?«, fragte ich rasch.
Melissa wirkte abwesend. Ihr Blick war leer. Sie fühlte sich durch irgendetwas gestört. Irgendwas hatte sie erschreckt.
»Ja«, antworte sie knapp.
»Bist du sicher?«, hakte ich nach.
»Ja, ja«, sagte sie, wobei sie sich umschaute, als ob sie etwas suchen würde.
Mir schien es so, dass nicht ich der Auslöser für ihr komisches Benehmen gewesen war. Nicht ich hatte sie erschreckt, etwa, weil ich nicht besonders ausgeschlafen aussah, und deshalb kein schöner Anblick war. Schließlich war ich früher schon in weitaus schlimmeren Zuständen hier aufgetaucht.
Sie denkt, dass irgendetwas nicht stimmt. Sie sieht sich um und will herauszufinden, ob sich etwas verändert hat. Aber alles ist so wie immer, und dennoch stimmt etwas nicht.
So wie ich mich gefühlt habe, heute morgen.
»Was darf es denn sein?«, fragte Melissa. Sie bemühte sich gewöhnt freundlich zu sein, aber es gelang ihr nicht, ihre Nervosität zu verbergen.
Unruhe, dachte ich und vergaß, dass Melissa mich was gefragt hatte.
»Mr. Rafton?«
»Ja, ich wollte mal hören, ob der neue King schon draußen ist. Den Titel weiß ich leider nicht. Aber das spielt ja keine Rolle, oder.«
»Nein, sicher nicht«, sagte Melissa und lächelte mich an. Jetzt sah sie wieder so schön aus wie
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