Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
unternehmen musste.
Doch was? Es gab nichts, das es zu ergründen gab, weil es keine Spuren gab.
Trotz allem, was die letzten beiden Nächte vorgefallen war, weigerte ich mich zu glauben, dass es sich um einen Poltergeist gehandelt haben könnte. Schon der Begriff löste in mir ein verächtliches Seufzen aus. Andererseits fürchtete ich mich schon jetzt vor der nächsten Nacht.
Beverly!
Sie verstand mehr von diesen Dingen als ich. Obwohl ich schon diverse Spukgeschichten im Rahmen meiner schriftstellerischen Tätigkeit erdacht hatte, hatte ich mich niemals ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt. Auch nicht, als Michelle und ich dieses Haus gekauft hatten. Ironischerweise wollte ich es aber genau aus diesem Grund haben. Ein Horror-Schriftsteller wie ich gehörte einfach an diesen Ort, dachte ich damals.
Wie ich bereits anfangs sagte, akzeptierte ich die Poltergeistgeschichten von Lost Haven so, wie sie waren, ohne sie als groben Unfug oder umgekehrt als unverrückbaren Beweis für die Existenz von Geistern zu titulieren.
Beverly war da ganz anders: Sie glaubte beinahe bedingungslos, dass Lost Haven nicht irgendein Dörfchen von Spinnern an der Atlantikküste war. Sie war davon überzeugt, dass es eine Art Zentrum für übernatürliche Kräfte war. Ein Prisma, das alles, was für die moderne Wissenschaft unerklärlich war oder negiert wurde, bündelte.
Darüber hinaus brauchte ich einfach jemanden, mit dem ich reden konnte.
Ich rief sie gleich an, und fragte, ob wir uns nachmittags kurz treffen könnten. Sie wollte wissen, worum es gehen würde, doch ich hielt sie im Unklaren und versicherte ihr nur, dass es nichts mit Peter zu tun hatte.
Wir vereinbarten, uns an der Wimsey Bucht zu treffen. Beverly verbrachte dort gerne viel Zeit. Wegen der Sonne, wie sie sagte.
Bevor ich mich mit Beverly traf, wollte ich mein Buch abholen, denn ich dachte nicht daran, meine alten Gewohnheiten wegen ein paar merkwürdigen Geräuschen und einer zerbrochenen Schale aufzugeben.
2
Mr. Beaver war wie immer an seinem gewohnten Platz, als ich Beaver’s Books betrat.
»Na, Mr. Rafton. Sie kommen ja jetzt täglich zu uns.«
»Ja, sagte ich. »Ich habe mir fest vorgenommen, Kunde des Monats zu werden.«
Mr. Beaver schmunzelte, wobei er zeitgleich konzentriert auf seinen Bildschirm schaute.
»Kleinen Augenblick, Mr. Rafton. Ich bin gleich fertig«, sagte Melissa, die mit mir zugewandten Rücken hinter der Theke auf einem Tritt balancierte und einen Stapel Bücher in das Verkaufsregal stellte.
Ich wartete geduldig.
Als sie abstieg und sich zu mir umdrehte, musste ich mich bemühen nicht zu schreien. Was ich sah, dauerte höchstens einen Wimpernschlag. Es war so unglaublich kurz, dass man glauben könnte, dass einem die Fantasie einen Streich gespielt hat. Nachdem, was mir jedoch in den letzten zwei Tagen widerfahren war, musste ich einfach glauben, was ich sah.
Das Gesehene zu verarbeiten geschweige denn zu verstehen, war ein Ding der Unmöglichkeit.
»Sie sehen aber blass aus Mr. Rafton. So als ob sie gerade ein Gespenst gesehen hätten«, sagte Melissa.
»Ach«, sagte ich und lächelte bemüht. »Ich habe heute Nacht nur nicht gut geschlafen.« Auf keinen Fall wollte ich mir etwas anmerken lassen. Nicht vor ihr.
Melissas Gesichtsausdruck verfinsterte sich, weil sie ganz genau spürte, dass ich nicht die Wahrheit gesagt hatte. Die Wahrheit! Melissas Vermutung kam der Wahrheit schrecklich nahe, dachte ich schockiert. Mein Puls raste, und ich bekam feuchte Hände.
Als sich Melissa zu mir umgedreht hatte, sah ich statt ihrem hübschen Gesicht nur eine graue, wabernde Masse. Anstelle der Augen sah ich nur zwei weiße, milchige Öffnungen, die mich auf eine Weise anstarrten, dass sich mir der Magen umdrehte.
Ich kniff mir mit dem rechten Daumennagel in die Innenfläche meiner linken Hand, um sicherzustellen, dass ich nicht irgendeinen völlig irren Traum träumte.
Zum ersten Mal seit Jahren verspürte ich das Bedürfnis nach einem Schnaps. Nach einem großen Schnaps.
Was zur Hölle soll das?
»Hier!« Melissas Stimme holte mich wieder zurück. »Ein ganz schöner Wälzer! Das macht dann 24 Dollar.«
Mit verkrampften Muskeln holte ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche und zog ein paar Geldscheine heraus. Nur mit äußerster Willensanstrengung gelang es mir, diese Bewegung ohne Zittern zu absolvieren.
Während sich das Kassenschubfach öffnete, schaute ich aus dem Augenwinkel zu Mr. Beaver. Er saß
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