Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
große Pflaster, so dass ich mit den neuen Pantoffeln wieder einigermaßen mobil war. Nur mein Gesicht sah aus, als hätte ich einen Faustkampf verloren. Der blaue Fleck auf der linken Wange wechselte von blau in dunkelgrün. Ein gutes Zeichen, meinte Beverly, wohl nicht ganz ernst.
Vor der nächsten Nacht fiel mir auf, dass meine Freundin wesentlich ruhiger war als am Abend davor.
Und was mich anbetraf: Ich war so ausgeglichen wie schon lange nicht mehr. Beverly tat mir gut. Kein Zweifel.
Meine Ruhe rührte aber nicht nur von ihrer Anwesenheit her. Ich hatte das Gefühl, dass auch in dieser Nacht nichts geschehen würde. Und ich war mir ganz sicher, dass der Grund darin lag, dass ich nicht mehr der einzige Mensch im Haus war. Beverly war für die Geister ein Störenfried, der mich vor ihnen abschirmte.
Ich sollte mit meiner Vermutung recht behalten.
Die Nacht verlief ruhig. Die Geister schwiegen. Nur ein einziges Mal wachte ich gegen halb vier auf. Aber nicht, weil mich ein Geist plagte, sondern nur ein menschliches Bedürfnis.
Am nächsten Tag schlug ich vor, für den Nachmittag Peter einzuladen. Ganz ungezwungen. Ich hatte ihn schon eine Weile nicht mehr gesehen und glaubte, dass ihm und uns ein wenig Abwechslung gut tun würde. Beverly war von der Idee begeistert. Sie hatte insgeheim die Hoffnung, dass Peter, den sie für einen sehr sensiblen Menschen hielt, womöglich irgendetwas in meinem Haus spüren würde. Dass er auf etwas aufmerksam werden würde, das Beverly und mir verborgen geblieben war.
Wenn Peter etwas in meinem Haus spürte, dann verstand er sich ausgezeichnet darin, es sich nicht anmerken zu lassen.
Statt Geistern nachzuspüren unterhielten wir drei uns prächtig. Wir spielten diverse Gesellschaftsspiele und stellten übereinstimmend fest, dass es enormen Spaß bereitete, weil wir das so lange schon nicht mehr getan hatten.
Am Abend machte sich Peter auf den Heimweg. Ich war mir dem Abend und mit Peters Gemütszustand, der sich offensichtlich gebessert hatte, zufrieden.
Auch die dritte Nacht, in der Beverly meinen Schutzengel spielte, war so wie eine erholsame Nacht sein sollte.
Trotzdem fiel es mir schwer, in den Schlaf zu finden. Doch statt über die unheimlichen Ereignisse und deren Bedeutung zu grübeln, konnte ich es vor Vorfreude kaum abwarten, dass der Morgen anbrechen würde. So sehr freute ich mich auf einen weiteren Tag mit Beverly.
Am nächsten Tag aber sollte alles anders kommen.
7
So langsam hatte ich mich an die Nächte auf der Couch gewöhnt. Pünktlich um acht Uhr wurde ich an einem frühherbstlichen Sonntagmorgen wach. Heute hatte ich mir vorgenommen, das Frühstück zu machen.
Als ich aufstand und mich gähnend streckte, blickte ich durch die verschlossene Verandatür und sah Beverly, wie sie mit ihrem Handy am Ohr im Garten auf und abging und dabei heftig gestikulierte.
Meine Laune schoss schlagartig in den Keller. Egal wer da angerufen hatte, mein schöner Tag mit Beverly war geplatzt.
In der Annahme, dass ihr Telefonat noch eine ganze Weile dauern könnte, ging ich missmutig ins Bad und knallte die Tür zu.
Ich ließ mir eine halbe Stunde Zeit.
Als ich wieder frisch rasiert herauskam, war Beverlys Gespräch immer noch im vollem Gange. Erst jetzt bemerkte ich, dass sie sich mehrmals Tränen aus den Augen wischte und verzweifelt versuchte, die Fassung zu bewahren.
Wie ich sie so sah, wirkten meine Probleme schlagartig obsolet.
Das Unglück. Es findet dich immerzu. Wägst du dich in einem Augenblick der Unachtsamkeit in Sicherheit und genießt das Jetzt, hat es unterdessen nur darauf gewartet, genau dann zuzuschlagen, wenn du am verwundbarsten bist.
Nach einer Weile beendete Beverly das Gespräch. Als sie mich im Wohnzimmer sah, drehte sie sich kurz weg, um die Spuren ihrer Trauer und Verzweiflung zu beseitigen. Das enttäuschte mich, dachte ich doch, sie würde mir vertrauen.
Dann kam sie herein und sah mich pflichtschuldig an.
»Ich weiß, dass kommt jetzt zur Unzeit. Aber ich muss sofort nach Bosten fahren.«
»Was ist denn passiert?«
Beverly senkte den Blick, rieb sich die Schläfen und seufzte. »Es ist mein Vater. Er hat sich eine schwere Lungenentzündung eingefangen und musste ins Krankenhaus in die Notaufnahme. Es geht ihm sehr schlecht.«
»Das tut mir sehr Leid. Es wird schon wieder in Ordnung kommen.«
Beverly bemühte sich, das Weinen zu unterdrücken. »Ja«, sagte sie. »Aber ich muss zu ihm. Weißt du, das
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