Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
schön«, sagte ich entspannt. »Mich hat etwas anderes fasziniert, das mir ehrlich gesagt ziemlich unheimlich ist.
Das Schiff, die Pequod, ist bemannt mit Seeleuten, die aus allen Teilen der Welt kommen, aus völlig unterschiedlichen Kulturen. Denk nur mal an den Polynesier. Aber obwohl alle so unterschiedlich sind, folgen sie dem verblendeten Kapitän bis in die entlegensten Winkel der Erde und am Ende sogar bis in den Tod. Das Schicksal eines Mannes, Ahabs Schicksal, wird zum Schicksal seiner ganzen Mannschaft. Die Mannschaft hätte meutern können. Starbuck war kurz davor Ahab zu töten, aber er hat es im entschiedenen Moment nicht getan. Sie sind ihm gefolgt. Bis zum Ende.«
»Hm.«, sagte Peter. Er war sich nicht ganz sicher, was er von meiner Sichtweise halten sollte. Aber er schluckte es. Sonst hätte ich ihm eventuell noch gestehen müssen, dass er mit seiner Interpretation, die er mir zuschrieb, ins Schwarze getroffen hatte.
4
Es war noch ein ganz netter Abend. Weil es im Verlauf des Tages noch recht warm geworden war, beschlossen wir, uns nach draußen auf meine Veranda in die Liegestühle zu setzen und die Gedanken noch ein wenig schweifen zu lassen.
Es war bereits dunkel. Heute fühlte ich mich gut. Ich war mir sicher, dass ich in dieser Nacht nichts zu befürchten hatte. Elizabeths Rat war vermutlich weiser, als ich es mir eingestehen wollte, denn so wie ich mit Peter schweigsam in den dunklen Himmel schaute, verschwendete ich nur noch selten meine Gedanken an jenen Albtraum von letzter Nacht, dem Blut an der Wand und dem angeblichen Poltergeist. Ich war hier der Hausherr. Und so würde es auch bleiben.
Beflügelt wurde meine Euphorie auch durch Peters überraschend gute Laune und unsere Beinahe-Aussprache.
Ich war bereit für einen Neuanfang.
Jack sucht die Lichtung
1
Peter ging irgendwann kurz nach Mitternacht.
»Grüß den Poltergeist von mir«, sagte er im Scherz. Ich war jedoch schon zu müde, um angemessen zu reagieren. Den dämlichen Witz musste ich ihm durchgehen lassen.
»Also machs gut, Alter«, sagte Peter abschließend und verschwand.
Es war so eine ungewöhnlich warme Nacht, dass ich noch ein wenig draußen bleiben wollte. Vielleicht auch, weil ich mich dafür drücken wollte, im Haus allein zu sein.
Ich wickelte mich in eine dicke Decke ein und ehe ich mich versah, schlief ich auch schon in meinem Liegestuhl ein.
Ich schlief bis zum Morgen durch. Und ich träumte. Allerdings so wie sonst auch. An das Meiste kann ich mich nicht erinnern, aber ich hatte irgendeinen guten Traum, in dem ich mit Peter angeln war. Das Wichtigste für mich war aber, dass ich ohne jegliche Störung geschlafen hatte. Ohne Albträume und ohne Geister.
Am frühen Morgen wurde es dann wohl doch kühl und feucht. Ich hatte noch nie auf dem Liegestuhl geschlafen. Mein Rücken schmerzte entsprechend heftig, als ich erwachte und mich strecken wollte.
So begrüßte ich den Morgen mit einem: »Au, Scheiße!«
Nach einer langen heißen Dusche konnte ich mich wieder einigermaßen unverkrampft bewegen.
Ob Rückenschmerzen oder nicht, ich musste die Wand noch streichen, bevor ich irgendetwas anderes machen durfte.
Während ich die Farbe mit dem Roller auftrug, konnte ich trotz aller Mühe nicht verhindern, dass ich an den ekligen Albtraum mit Melissa denken musste. Nicht der Traum selbst war es, der mir keine Ruhe ließ, sondern die Frage, ob es ein normaler Albtraum war oder nicht. Innerlich hatte ich schon längst eine Antwort gefunden: Die Erinnerung an jede Einzelheit des Traums war mir immer noch so lückenlos präsent, dass ich hätte schwören können, in Wirklichkeit der untoten Melissa in die Crying Woods gefolgt zu sein.
Vor meinem inneren Auge eröffnete sich mir die kleine aber helle Lichtung irgendwo tief im Wald. Die halb umgestürzte Birke quer darüber. Sie wirkte wie ein Fremdkörper in dem dichten Laubwald. Unverwechselbar. Sollte ich mir diese Birke, als schmückendes Detail, während ich schlief, ausgedacht und in den Traum eingefügt haben?
Das konnte ich nicht glauben.
Vergiss es! Es ist nicht wichtig. Es ist vorbei. Lass es sein!, sagte ich mir immer wieder gebetsmühlenartig.
Es nutzte aber nichts.
Ich konnte es nicht einfach vergessen. Es war kein normaler Traum. Und es gab nur einen Weg das herauszufinden: Die Antwort lag im Wald. Wenn es mir gelingen würde, den Weg, den der Geist von Melissa und ich eingeschlagen hatten, zu rekonstruieren, und die
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