Geisterzorn: Der Fluch von Lost Haven (German Edition)
Die exakte Stelle bereits zu diesem Zeitpunkt ausfindig zu machen, war unmöglich. Aber ich konnte immerhin vier Gebiete eingrenzen. Alle befanden sich unmittelbar nördlich eines Waldweges, der eine Ost-West Richtung aufwies.
Die erste Stelle war ungefähr nur drei Kilometer von der Waldgrenze entfernt. Die weiteste immerhin fünfundzwanzig Kilometer. Und das Luftlinie.
Die Strecke zu wandern würde einige Zeit in Anspruch. Also entschloss ich mich, mein altes Mountainbike aus der Garage zu holen und wieder auf Vordermann zu bringen.
Als ich die Reifen aufgepumpt hatte, schlug die Uhr schon ein Uhr am Nachmittag.
Ich hätte noch einen Tag warten können. Am nächsten Morgen pünktlich aufbrechen und in Ruhe loslegen können. Doch hinderten mich zwei Sachen daran, meine Suche aufzuschieben: Erstens sollte morgen das Wetter umschlagen. Viel Regen, keine Sonne, so war die Vorhersage. Und die andere Sache war, dass ich immer begieriger darauf wurde, mit der Spurensuche zu beginnen. Elizabeth' Worte drangen immer mehr in den Hintergrund. Die Vorstellung, dass es diese Lichtung und die Birke wirklich geben könnte, war beunruhigend und faszinierend zugleich. Ich wollte es sehen. Ich wollte es mit meinen eigenen Augen sehen. Ich brauchte den endgültigen Beweis, dass ich von Geistern heimgesucht worden war. Mag sein, dass ich trotzdem verrückt bin. Dann spielen meine unvernünftigen Beweggründe eh keine Rolle mehr.
Unvernünftig war mein Vorhaben nicht nur wegen seiner Art, sondern auch, weil ich noch nie in den Wäldern der Crying Woods gewesen bin. Ein Handy mit GPS-Funktion besaß ich nicht. Folglich war ich - ganz analog – auf Karte und Kompass angewiesen. Zusätzlich packte ich mir einen Rucksack mit einer großen Taschenlampe, einer Zwei-Liter-Flasche Wasser, zwei Müsli-Riegeln, meinem Handy, von dem ich bezweifelte, dass es so tief in den Wäldern Empfang bekäme, und eine warme Fleecejacke, weil es ziemlich kühl werden konnte.
Bevor ich mich auf den Sattel schwang, fiel mir noch ein, dass ich eine Kamera mitnehmen könnte. Zuerst wollte ich meine alte Videokamera einpacken. Der Akku war aber leer und ihn aufzuladen hätte mindestens zwei Stunden gedauert. Ich besaß noch eine teure digitale Spiegelreflexkamera, die mir Michelle (von meinem Geld) zum letzten Geburtstag geschenkt hatte. Erfreulicherweise war der Akku noch ausreichend geladen.
Hastig radelte ich die Kennington Street runter und hoffte nur, dass niemand so dumm sein würde, mich zu stören. Er oder sie würden ein Donnerwetter erleben.
Jack Rafton auf einem Fahrrad, das war zwar nicht weltbewegend, aber genug, um die Grauen Witwen für einen Tag mit neuem Gesprächsstoff zu versorgen.
Ich bog in die Oxbridge Street ein und versuchte die Stelle zu finden, an der Melissa und ich die Straße überflogen hatten. Entlang des Asphalts führte eine oberirdische Telefonleitung. Irgendwo zwischen zwei der Masten sind wir durchgeschlüpft. Zur Linken hatte ich den Sumpf schon vor Augen. Auf der rechten Seite standen die Bäume dicht an dicht.
Ich hielt an und schaute über die Straße zum Sumpf.
Hier ist es. Hier sind wir vorbeigekommen. Es gab keinen Zweifel. Diese Bestimmtheit erschreckte mich.
Ich schaute in den Wald und grummelte ungeduldig.
Melissa war nur wenige Meter vor mir genau an dieser Stelle in den Wald geschwebt. Doch hier gab es keinen Weg. Ich holte die Karte hervor. Erst vierhundert Meter in westlicher Richtung gab es den nächsten.
Mit einem roten Filzstift markierte ich die Stelle, an der ich mich befand, auf der Karte und setzte mich dann wieder in Bewegung.
Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich in den Hauptweg Richtung Norden einbog, von dem ich annahm, er könnte mich zu der Lichtung führen.
Der Wald wirkte am Tag freundlich und lebendig. Ein Ort, zu dem man gerne kam, um sich zu regenerieren. Auf den ersten Metern traf ich sogar zwei Wanderer, die mich fröhlich begrüßten. Es waren Touristen, die einen der unzähligen Reiseführer gelesen hatten, der die mysteriöse Atmosphäre der Crying Woods herausstellte.
Glücklicherweise funktionierte noch der digitale Tacho meines Fahrrads, so dass ich mir relativ sicher war, in der Nähe der ersten Kartenmarkierung zu sein.
Ich stelle das Rad ein paar Meter abseits des Weges ab, weil ich nicht wollte, dass es jemand sah oder gar klaute. Ab jetzt ging es zu Fuß weiter.
Einen halben Kilometer Richtung Norden später erreichte ich die Spitze eines Hügelkamms und hatte von
Weitere Kostenlose Bücher