Gejagte Der Dämmerung -9-
nicht mehr«, keuchte Bishop. »Es ist über zehn Jahre her, dass ich überhaupt an den Mann gedacht, geschweige denn ihn gesehen habe. Mehr kann ich dir nicht sagen, das schwöre ich dir.«
Aber Hunter wirkte nicht überzeugt und schien auch nicht geneigt, Bishop aus seinem Todesgriff zu entlassen, nicht einmal dann, wenn er die Antworten bekam, die er wollte. An der Ruhe in seinen Augen erkannte Corinne, dass er ihn töten würde.
Auch Bishop erkannte das. Er begann sich zu winden, bäumte sich auf der Schreibtischplatte auf, trat um sich und stieß dabei einen Stapel ledergebundener Bücher zu Boden.
Jetzt brach Corinnes Gabe, die schon die ganze Zeit in ihren Adern summte, unaufhaltsam aus ihr heraus und stürzte sich auf das Poltern der fallenden Bücher. Der Lärm schwoll an und explodierte zu einem mächtigen, lang gezogenen Donnergrollen, das den Raum und alles in ihm zum Erbeben brachte.
»Corinne, hör auf!«, rief ihre Mutter, sich die Ohren zuhaltend.
Bishop bleckte die Lippen und entblößte die Spitzen seiner Fänge, vor Wut und Angst transformierten sich seine braunen Augen zum feurigen Bernsteingelb des Stammes, und seine Pupillen zogen sich zu katzenartigen Schlitzen zusammen.
Hunter jedoch blieb kühl, der Inbegriff der Selbstkontrolle. Er nahm den Ausbruch von Corinnes übersinnlicher Gabe nur am Rande zur Kenntnis, und dann schien er die Ablenkung völlig auszublenden. Seine Augen behielten ihren normalen goldenen Farbton bei, sein Gesicht mit den scharfen Wangenknochen blieb schmal und angespannt, sein Ausdruck konzentriert, aber nicht wütend. Er schloss die Finger fester um Bishops Kehlkopf.
Corinne öffnete die Lippen und keuchte heftig vor Erschöpfung. Sie zwang ihre Gabe, sich wieder zu legen, und wollte schon aufschreien, damit all dieser Wahnsinn endlich aufhörte.
Aber es war Regina, die zuerst sprach.
»Henry Vachon«, stieß sie hervor. Victor fauchte, und es war schwer zu sagen, ob seine Wut sich jetzt auf seinen Peiniger oder seine erschütterte Stammesgefährtin richtete. Regina wandte den Blick von ihm ab, hob das Kinn und sprach direkt zu Hunter. »Ich erinnere mich an einen weiteren Stammesvampir, auch er ein Mitglied der Agentur. Er war fast immer mit Starkn zusammen, wenn ich ihn in der Öffentlichkeit gesehen habe. Sein Name war Henry Vachon. Er war von irgendwo aus dem Süden … New Orleans, soweit ich mich entsinne. Wenn Sie Gerard Starkn finden wollen – oder wie auch immer er sich heutzutage nennt –, fangen Sie mit Henry Vachon an.«
Hunter nickte ihr zum Dank zu, hatte aber die Hand immer noch fest um Bishops Hals geschlossen.
»Lass ihn los«, murmelte Corinne leise. Ihr war ganz elend nach allem, was sie gehört hatte, aber sie verspürte kein Bedürfnis nach Rache. Nicht einmal gegenüber ihrem Vater, der sie so herzlos verraten hatte. »Bitte, Hunter … lass ihn gehen.«
Wieder warf er ihr diesen seltsamen Blick zu wie vorhin, als sie ihn schon einmal gebeten hatte, Victor Bishop zu verschonen. Corinne konnte den seltsamen, düsteren Ausdruck nicht deuten, der jetzt in seinen goldenen Augen aufflackerte. Es war eine Frage, ein stummes Innehalten aus Unsicherheit oder Erwartung.
»Er ist es nicht wert«, sagte sie. »Lass ihn mit seinen Taten leben. Für mich existiert er nicht länger.«
Als Hunter seinen Griff löste, rollte Bishop keuchend und hustend auf den Boden. Reginas liebes Gesicht war fassungslos und vom Weinen gerötet. Sie hatte wieder angefangen zu schluchzen, entschuldigte sich bei Corinne, bat sie um Vergebung dafür, was Victor ihr angetan hatte. Sie versuchte, Corinne in ihre Arme zu ziehen, aber der Gedanke daran, berührt zu werden, egal von wem, war mehr, als diese jetzt ertragen konnte.
Corinne wich zurück. Sie fühlte sich eingesperrt in diesem Raum, erstickt in diesem Dunklen Hafen, der nun nicht mehr ihr Zuhause war und es niemals wieder sein würde. Die Wände schienen immer enger um sie zusammenzurücken, der Fußboden senkte sich, ihr Magen hob sich, und ihr wurde schwindlig.
Sie musste hier raus.
Als sie einen unsicheren Schritt auf die offene Arbeitszimmertür zuging, streckte Mason hilfsbereit die Hand aus, um sie zu stützen, aber sie wich ihm und seinem mitfühlenden Blick aus.
»Ich muss an die Luft«, flüsterte sie und keuchte vor Anstrengung. »Ich kann nicht … ich muss … hier raus.«
Und dann rannte sie los.
Durch das Foyer des großen Hauses und auf die lange Auffahrt hinaus. Irgendwo aus der Nähe
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