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Gekapert

Titel: Gekapert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuruddin Farah
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deinem Großvater?« fragt er.
    »Etwas besser«, sagt Qasiir.
    »So gut, daß er zum Arzt gehen kann?« fragt Malik.
    »Für gewöhnlich macht er sich nicht die Mühe, zum Arzt zu gehen.«
    »Du könntest ihn zu Bile mitnehmen«, schlägt Malik vor. »Wie du weißt, war er Arzt.«
    »Opa will davon nichts hören.«
    In der Wohnung holt Malik den Umschlag mit dem Geld für die Sicherheitstruppe und gibt ihn Qasiir, damit dieser es verteilen kann. Er versichert sich, daß er sein Aufnahmegerät nicht vergessen hat. »Danke, Qasiir. Das war alles sehr professionell. Und bitte grüß deinen Großvater von mir. Ich hoffe, er wird bald gesund.« Er winkt zum Abschied.

A m frühen Nachmittag des 26. Dezember, eine Stunde nach dem Abflug einer Delegation der Afrikanischen Union, kommt die Nachricht vom Angriff äthiopischer Flugzeuge auf zwei der Flughäfen Mogadischus. Sie verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Man kann ihr nicht entkommen: Sie wird von Lokalradios verbreitet, einander völlig fremde Menschen bleiben auf der Straße stehen und unterhalten sich über die Auswirkungen. Malik ist in seinem Arbeitszimmer, arbeitet am Feinschliff eines Artikels und hört erst davon, als Dajaal ihn anruft. Er hält es für ein riskantes Unternehmen, das deshalb am hellichten Tag ausgeführt wurde, weil die Männer dreist annahmen, sie kämen ungestraft davon. Die Somalier vermuten, daß die Äthiopier von den Vereinigten Staaten Militärinformationen erhalten haben.
    »Keiner der beiden Angriffe hat Todesopfer gefordert«, bemerkt Dajaal. »Ich habe jedoch gehört, daß ein junger Ziegenhirte verletzt worden ist.«
    »Wie ist das passiert?«
    »Er suchte eine seiner Ziegen, die vom Weg abgekommen und durch die Lücken des Flughafensicherheitszauns geschlüpft war und dort graste«, erklärt Dajaal. »Mein Gewährsmann sagt, daß sich die Tiere in der Nähe des Vorfeldes befanden, und kaum hatte er die Ziege zurückgescheucht, wurde er von einem Bombensplitter getroffen. Die Ziege wurde dabei getötet.«
    »Armer Kerl«, sagt Malik.
    »Das eigentliche Opfer, das es zu beklagen gilt, ist weder die Ziege noch der verletzte Junge, sondern unser Nationalstolz«, bemerkt Dajaal. »Die Großmäuler der Union, angefangen von DerScheich bis zu den niedrigsten Chargen, entblöden sich nicht, die Schlägertypen von nebenan herauszufordern und uns zu gefährden. Warum das Maul aufreißen, wenn man nicht über die nötigen militärischen Mittel verfügt, um das Land zu verteidigen?«
    Malik spürt Dajaals Zorn. Er stellt sich auf eine »Ich hab’s dir ja gesagt«-Predigt ein, aber Dajaal erspart sie ihm. Schließlich sind sie der gleichen Meinung.
    »Wie geht’s dir überhaupt?« fragt Malik.
    »Ich kann es mir jetzt nicht leisten, krank zu sein, ich bin derart in Rage«, sagt Dajaal. »Ich bin wie der Mann im Sprichwort, der sich an Wasser verschluckt und nicht weiß, womit er es hinunterspülen soll. Ich bin mordswütend auf die Männer der Union, und ich bin traurig und gleichzeitig aufgebracht, wenn ich über den Angriff nachdenke.«
    Malik ist noch unschlüssig, ob er Fee-Jigans Anschuldigung weitergeben soll, Gumaad sei ein Nachrichtenoffizier, der sich als Journalist ausgibt, als sich Dajaal erkundigt, wie das Interview gelaufen sei. Er besinnt sich eines Besseren, beschließt, daß es keine Rolle mehr spielt, welchem Beruf Gumaad nachgeht. Er möchte sich Gumaad nicht unnötig zum Feind machen, schließlich könnte ihm dieser doch sehr schaden. Er müßte lediglich Vollbarts Hysterie schüren und Malik als Agenten der amerikanischen Imperialisten denunzieren. Ein Journalist, der aus Somalia berichtet und einen ausländischen Paß hat, muß sich vorsichtig verhalten.
    Er wünscht, Jeebleh wäre hier. Weder er noch Ahl haben sich bisher gemeldet.
    Er zappt herum, sieht englische Nachrichten auf BBC und CNN , arabische auf Al Jaazera, somalische auf BBC , zappt wieder zurück zu Al Jazeera und zum Schluß nochmals zur BBC . Offensichtlich war zwischen Jeeblehs Abflug und dem Bombenattentat am Flughafen eine hochrangige, sich auf Erkundungsmission befindliche Delegation der Arabischen Liga abgeflogen, und keine Stunde später war eine zehnköpfige Delegation aus Eritrea zurückgekehrt. Wie verlautet wollten Reporter von Lokalzeitungen und Radio den Bevollmächtigen der Arabischen Liga am Flughafen interviewen, bevor er nach Kairo flog, und hatten auf dem Rollfeld gewartet, um jenen beiden Mitgliedern der Union-Abordnung Fragen zu stellen,

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