Gekauft für den Harem
Kasim bedeutete ihnen, in die Sänften zu steigen, und sie gehorchten. Das Getrappel von Pferdehufen wurde lauter, und die Staubwolke größer, als der Reitertrupp näher kam.
„Hab keine Angst“, sagte Harriet und drückte Marguerite kurz die Hand, bevor sie sich trennten. „Kasim wird uns beschützen.“
Sie wusste, dass ihre Cousine glaubte, sie würden angegriffen. Kasim und seine Männer hatten die Krummschwerter gezogen, als fürchteten sie das Gleiche. Nachdem sie die Vorhänge der Sänfte zugezogen hatte, versuchte Harriet, ihrer eigenen Angst Herr zu werden. Kasim würde nicht zulassen, dass jemand sie raubte. Schließlich waren sie eine Kapitalanlage für ihn. Trotzdem konnte sie sich des Gefühls nicht erwehren, dass er Momente vor dem Auftauchen der Reiter kurz davor gewesen war, ihren Bitten nachzugeben.
Auf einmal hörte sie Freudenrufe und riskierte einen kurzen Blick durch den Vorhangspalt. Die Stimmung hatte sich völlig gewandelt, und Kasims Männer begrüßten die Neuankömmlinge mit Lachen und Jubel.
Einer von ihnen musste der Anführer sein, denn alle anderen verneigten sich vor ihm. Er war jünger als Kasim und auf eine wilde, düstere Art attraktiv. Er blickte in Richtung der Sänften, als wolle er umgehend nachsehen, was sie verbargen, doch Kasim legte ihm die Hand auf den Arm und sagte etwas zu ihm. Der Jüngere schien widersprechen zu wollen, aber dann nickte er, und die beiden Männer unterhielten sich wie gute Freunde.
Nun trat Kasim zu der Sänfte, in der Harriet saß. Sie wich so weit wie möglich zurück und hielt den Vorhang nur so weit offen, dass sie ihn sehen konnte.
„Wer ist das?“, wollte sie wissen.
„Prinz Hassan. Er kam mit einem Trupp Janitscharen, um uns zum Palast zu eskortieren. Man hat Angehörige der Bergstämme in der Gegend gesehen, und er wusste, dass ich nur wenige Männer bei mir habe. Ich hoffe, Ihr seid Euch der Ehre bewusst, die es bedeutet, dass der Prinz Euch Geleitschutz gibt, Lady Harriet. Er ist um Eure Sicherheit besorgt – worüber sein Vater nicht sehr erbaut wäre, sofern er es wüsste, denn er schätzt es nicht, wenn Hassan sein Leben aufs Spiel setzt.“
„Ihr habt Euch gefreut, ihn zu sehen.“
„Der Prinz ist wie ein Bruder für mich.“ Kasim nickte bestätigend. „Er ist jung und sieht gut aus und wird nun bald auch heiraten.“
„Oh …“ Harriet wusste nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte gehofft, Kasim überreden zu können, ein paar Tage auszuruhen, bevor sie wieder aufbrachen, aber nun, da der Prinz gekommen war, um sie sicher zum Palast zu geleiten, würde aus der Rast nichts werden. „Ich danke Euch für die Erklärung.“
„Ihr solltet Euch keine übermäßigen Sorgen um Eure Cousine machen, Lady Harriet. Womöglich hält die Zukunft mehr Glück bereit, als Ihr es Euch beide vorstellen könnt.“
Harriet schwieg. Als die vier Träger die Sänfte anhoben, lehnte sie sich in die Polster zurück. Wie konnte er so etwas sagen? Als Sklavinnen im Harem des Kalifen würden weder Marguerite noch sie jemals glücklich werden.
3. KAPITEL
V or ihnen lag noch fast eine ganze Tagesreise, dennoch machten sie nur kurze Pausen, die gerade reichten, um die Sänftenträger zu wechseln. Einmal erschien eine Hand im Vorhangspalt und reichte ihr Früchte und Wasser, doch das schwerfällige Schaukeln ihres Transportmittels ließ es Harriet angeraten erscheinen, nichts zu essen. Sie dachte an die kurzen Momente am Fluss und fragte sich, wie Kasim reagiert hätte, wenn der Prinz und seine Männer nicht aufgetaucht wären. Hätte er ein Zugeständnis gemacht? Sie seufzte und schob die flüchtige Hoffnung beiseite. Nun, da der Prinz ihnen Geleitschutz gab, bestand keine Aussicht mehr auf eine Verzögerung. Womöglich lag ihr Schicksal gar nicht mehr in Kasims Hand.
Harriet kam es vor, als wolle die Reise kein Ende nehmen, doch gegen Abend waren auf einmal Fanfarenstöße zu hören, und als sie vorsichtig durch den Vorhangspalt spähte, sah sie an dem felsigen Bergabhang, der vor ihnen lag, eine hoch ummauerte Ansammlung prächtiger Gebäude, die wie eine befestigte Stadt wirkte und von der sie annahm, dass es sich bei ihr um den Palast des Kalifen handelte. Auf den ersten Blick wirkte die Bauweise fremd, doch dann erkannte sie, wie gut sie sich für eine Festung eignete.
Sobald sie sich in einem Innenhof der Anlage befanden, wurden die Sänften abgestellt. Marguerite sprang aus ihrer heraus und eilte zu Harriet, sobald diese
Weitere Kostenlose Bücher