Gekauft für den Harem
Staatsgeschäfte wiegt schwer. Man sagt, dass er ein bedeutender und gnädiger Kalif sein wird. Ich glaube, wir können uns glücklich schätzen, dass er Khalids Nachfolge antritt.“
„Ich bin mir der Last der Verantwortung, die mein Gebieter zu tragen hat, vollkommen gewahr“, erwiderte Harriet und neigte zustimmend den Kopf. Wie üblich wusste jeder im Palast schon im Voraus über die Ankündigung, die der Kalif zu machen wünschte, Bescheid. „Ich weiß, dass er beschäftigt war. Ich habe ihn zwei Wochen nicht gesehen.“
„Ihr hättet Euch nicht einmischen dürfen, madame . Euer Gebieter war nachsichtig, denn jeder andere Mann hätte Euch für solchen Ungehorsam auspeitschen lassen. Ihr solltet dankbar sein.“
Harriet sagte nichts darauf. Sie wusste sehr wohl, dass sie den Vorhof an jenem Tag nicht hätte betreten, geschweige denn gegen die Bestrafung protestieren sollen, deren Zeugin sie geworden war. Sie hatte die Auspeitschung als barbarisch empfunden, doch hätte Khalid über das Schicksal der Gefangenen entschieden, wären sie vermutlich hingerichtet worden.
„Hat man den Anführer der Rebellen gefasst?“
„Das darf ich Euch nicht sagen, madame . Ich wäre töricht, über Dinge zu sprechen, die mich nichts angehen.“
„Nun gut.“ Nachdenklich begab Harriet sich ins Bad. Einesteils konnte sie sehen, dass Kasim auf seine Art Milde geübt hatte. Die Männer waren bestraft worden, denn straflos konnte er sie nicht davonkommen lassen, wenn er die Oberhand über die wilden Bergstämme behalten und sich nicht zum Gespött machen wollte, aber er hatte sie nicht hinrichten lassen. Trotzdem konnte sie sich nicht abfinden mit den ständigen Kämpfen, dem Blutvergießen, dem Leid, das daraus erwuchs. Sie wusste keine Lösung, und vermutlich gab es auch keine. Die Bergstämme waren erbitterte, stolze Krieger, und wenn einmal eine Fehde vom Zaun gebrochen war, ging sie über Generationen weiter, wurde vom Vater auf den Sohn übertragen. Khalid hatte gehofft, dem ein Ende zu setzen, als er Katrina geheiratet hatte, doch ihr Bruder betrachtete sie als Mittel zum Zweck – und sein Ziel war es, selbst Kalif zu werden. Wenn man ihm das Leben schenkte, würde er die nächste Verschwörung anzetteln, gegen Kasim und jeden anderen, der ihm im Weg war.
Mellina hatte ihr ein prächtiges Gewand mitgebracht, aus weißer goldbestickter Seide und mit einer karmesinroten Schärpe. Harriet betrachtete es stirnrunzelnd. Weiß und Rot waren Kasims Farben, und wenn sie sie trug, würde er womöglich denken, sie habe Reue geübt. Sie zögerte einen Moment, dann wählte sie eine zart türkisfarbene Robe mit goldbesticktem Saum und goldfarbener Schärpe und einen weißen Schleier dazu.
Mellina maß sie mit einem missbilligenden Blick, als Harriet fertig angekleidet vor sie hintrat, sagte jedoch nichts. Stattdessen ging sie ein paar Schritte voraus, sobald sie Harriets Gemächer verlassen hatten. Der Eunuch, der Harriet bewacht hatte, nachdem sie in Ungnade gefallen war, stand nicht mehr vor ihrer Tür. Offenbar war ihre Bestrafung beendet.
„Wo gehen wir hin?“, fragte sie Mellina nach einiger Zeit. „Dies ist nicht der Weg zu den Gemächern der Ersten Dame Katrina.“
„Sie befindet sich bereits im Hof und wartet dort zusammen mit den anderen Frauen. Sie ist nicht mehr die Erste Dame. Der Kalif hat sie in den Harem zurückgeschickt.“
„Katrina ist ebenfalls in Ungnade gefallen?“
„Nicht direkt.“ Mellina schüttelte den Kopf. „Aber es ist nicht an mir, Euch darüber zu unterrichten. Ihr werdet jedoch bald alles erfahren.“
„Es ist ungerecht von Khalid. Sie hat nichts Verwerfliches getan.“
„Urteilt nicht vorschnell, madame . Ihr wisst nicht, wovon Ihr sprecht.“
Harriet hatte lange genug Zeit gehabt, um ihren Streit mit Kasim zu bereuen. Es stimmte, sie hätte nicht in den Vorhof gehen sollen, und im tiefsten Innern sah sie ein, dass Disziplin notwendig war, aber nun stieg wieder Zorn in ihr auf.
Sie näherten sich der kleinen Gruppe von Haremsdamen, doch statt der üblichen Vorfreude herrschte eine unruhige, bedrückte Stimmung unter den Frauen, so als erwarteten sie etwas Schlimmes.
„Katrina, geht es Euch gut?“ Harriet trat zu ihrer Freundin. „Aus welchem Grund hat man Euch in den Harem zurückgeschickt?“
„Khalid geriet außer sich, als er erfuhr, dass der Anführer der Aufständischen, den man gefasst hatte, mein Bruder war. Jamail gab zu, dass er an dem Komplott beteiligt war,
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