Geklont
Sie hat nicht gesagt, sie könne mir gleich eine Antwort geben. Sie hat nicht gesagt, daß ich darüber nachdenken soll. Deshalb glaube ich nicht, daß du mich so abspeisen kannst. Ich kann dir zeigen, woran ich gearbeitet habe, wenn das einen Unterschied macht.«
»Komm besser wieder zu dir, mein Junge. Ari war bei dir nur auf eines aus, und du weißt verdammt gut, was ich meine. Quatsch dich jetzt nicht mit irgendwelchem intellektuellen Blödsinn raus, und mach dir sechs, acht Jahre später nicht selbst etwas vor, weil du allen Ernstes glaubst, daß du mit siebzehn besser warst als jetzt. Das ist Quatsch. Sieh das ein. Du bist in mehrerer Hinsicht falsch gewickelt. Es ist natürlich, daß du dort weiterzumachen versuchst, wo du aufgehört hast, aber du würdest dir einen besseren Dienst erweisen, wenn du da weitermachtest, wo du jetzt bist, mein Junge, und dir klarmachst, daß es nicht deine Ideen waren, weshalb Ari dich in ihr Büro gebeten und die ganze Zeit mit dir verbracht hat. Alles klar?«
Für einen Augenblick konnte er kaum atmen. Sie redeten unter vier Augen in Yannis Büro. Niemand sonst konnte sie hören. Aber niemand, niemand, hatte in all den Jahren etwas so Brutales zu Justin gesagt wie Yanni, nicht einmal Denys, nicht einmal Petros, und ihm machte ein ganzer Schauer von Flashbacks zu schaffen, der genug Adrenalin in sein System pumpte, um ihn zu einer Reaktion zu veranlassen; er war sich dieser Reaktion bewußt: Er wollte irgendwo anders sein, als in dieser Situation mit einem Mann, den er nicht zu schlagen wagte ... Gott, wenn er es täte, hätten sie ihn innerhalb einer Stunde auf dem Tisch liegen...
»Scheiße. Yanni, was hast du mit mir vor?«
»Ich versuche dir zu helfen.«
»Besser geht's wohl nicht, was? Gehst du immer so mit deinen Patienten um? Gott steh ihnen bei!«
Er stand kurz vor dem Zusammenbruch. Er biß die Zähne aufeinander und ließ nicht los. Du weißt, daß ich eine Therapie hinter mir habe, du gewissenloser Hund. Laß mich in Frieden!
Und Yanni brauchte lang, bis er ihm antwortete, diesmal sehr viel ruhiger. »Ich versuche dir die Wahrheit zu sagen, mein Junge. Sonst tut's niemand. Treibe ihn nicht in die Enge, sagt Petros immer. Was willst du? Soll Petros ein frisches Pflaster draufkleben? Er kann dir nichts tun. Denys würde es nicht zulassen, daß er einen Eingriff vornimmt. Dabei hast du gerade das verdammt nötig, mein Junge. Du brauchst jemanden, der tief hineinschneidet und zu fassen bekommt, was an dir nagt, und es dir im Tageslicht zeigt. Mir ist egal, wie sehr dir's mißfällt. Ich bin nicht dein Feind. Sie haben so verdammte Angst davor, wie's aussehen wird, wenn sie dich zu einer psychischen Generalüberholung einliefern. Sie wollen's deshalb nicht, weil sie fürchten, daß etwas davon durchsickert und Jordan dann überschnappt. Aber ich mache mir um dich Sorgen, mein Junge, ich mache mir derartige Sorgen, daß ich dir deine Eingeweide herausreißen und sie dir auf einem Tablett servieren werde, und ich verlaß mich darauf, daß das alte Sprichwort nicht zutrifft und du dich doch wieder zusammensetzen kannst. Ari ist zur Zeit in den Nachrichten, und das ist nicht gut; und die Aufmerksamkeit der Medien ist für unsere Sicherheit mehr als bedenklich. Wir können dich nun einmal nicht einsperren und zu der Behandlung zwingen, die du brauchst. Hör mir mal zu! Hör mir bitte zu! Alle anderen bringen ihren Arsch in Sicherheit. Und du blutest, während Petros nur halb-herzige Korrekturen in einer Situation anbringt, die uns allen klar ist: Denys hat versucht, mit dir zu reden. Du willst nicht kooperieren. Gott sei Dank, daß du zumindest versuchst, zur Besinnung zu kommen und dich an die Arbeit zu machen. Wenn ich könnte, was ich wollte, mein Junge, hätte ich dir vor dieser kleinen Unterhaltung einen ordentlichen Schuß verpaßt, und vielleicht hätte es gewirkt. Aber ich möchte, daß du dir ganz deutlich darüber klar bist, was du tust. Du versuchst dorthin zurückzukehren, wo du einmal warst. Du verschwendest deine Zeit. Ich möchte, daß du akzeptierst, was geschehen ist, das Vergangene vergangen sein läßt und mir die Arbeit ablieferst, zu der du in der Lage bist. Schnelle Arbeit. Du bist langsam. Du bist einfach zu langsam. Du hältst dich auf mit Checks und nochmaligen Checks, als machtest du dir vor Angst, etwas zu vermurksen, in die Hose, und dabei besteht überhaupt kein Anlaß dazu. Die letzte Überprüfung fällt nicht in dein Ressort, du mußt
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