Geklont
Tränen ausbrach.
Ari hielt sie fest. Und fühlte sich betrogen, weil sie selbst weinen wollte, aber Nelly war eine Azi, und es regte sie auf, wenn man weinte. Deshalb versuchte sie sensibel zu sein, wie Mama es ausdrückte, und sagte Nelly, sie solle sich zusammennehmen.
Nelly gehorchte. Sie hörte auf zu schniefen und zu schneuzen und stand auf und zog sich an; dann badete sie Ari, wusch ihr Haar und zog ihr die saubere blaue Hose und einen Pullover an. Und kämmte ihr Haar so lang, bis es knisterte.
»Wir sollen mit Ser Nye frühstücken«, sagte sie.
Das gefiel ihr. Und es war ein gutes Frühstück an Onkel Denys' Tisch, wo man alles zu essen fand, was es auf der Welt gab. Ari aß reichlich. Onkel Denys hatte von allem einen Nachschlag und sagte ihr, sie und Nelly könnten den Tag im Apartment verbringen, bis Nelly in die Klinik müsse, und dann würde Seely kommen und sich um Ari kümmern.
»Ja, Ser«, sagte Ari. Alles war in Ordnung. Aber eigentlich nichts. Seit gestern war es ihr gleichgültig, wer sie war. Sie wollte Denys fragen, wo Mama war, und wohin Mama ging. Aber sie tat es nicht, weil eine Zeitlang alles in Ordnung war - und sie so müde.
Und wenn Denys es ihr sagte, würde sie den Namen des Ortes sowieso nicht kennen. Sie kannte nur Reseune.
Deshalb saß sie da, und Nelly las ihre Geschichten vor. Manchmal weinte sie ohne jeden Grund. Manchmal schlief sie ein. Als sie einmal aufwachte, war Nelly bei ihr und sagte, Seely würde sich um sie kümmern.
Seely brachte ihr soviel zu trinken, wie sie wollte. Und stellte das Video für sie an. Und tat alles, worum sie ihn bat.
Sie fragte Seely, ob sie hinausgehen und die Fische füttern könnten. Das taten sie. Sie kamen zurück, und Seely brachte ihr noch mehr zu trinken, und sie wünschte, sie könne ihre Mama sagen hören, diese Getränke seien nicht gut für sie. Deshalb hörte sie von allein auf und bat Seely um Papier, setzte sich hin und zeichnete etwas.
Bis Onkel Denys zurückkam und es Zeit zum Abendessen wurde, und Onkel Denys sich mit ihr darüber unterhielt, was sie morgen tun und daß er ihr alles kaufen würde, was sie wollte.
Sie überlegte sich verschiedene Sachen. Sie wollte ein Raumschiff mit Lampen. Sie wollte einen neuen Mantel. Wenn Onkel Denys ihr das anbot, konnte sie sich schon etwas einfallen lassen. Ihr fielen richtig teure Sachen ein, die Mama ihr nie gekauft hätte.
Aber nichts davon machte sie glücklich. Nicht einmal Nelly. Weil sie einem nun einmal etwas schenkten, nahm man es, einfach so, und man verlangte nach immer mehr, um es schwieriger für sie zu machen, und damit sie glaubten, es sei wichtig für einen, und man sei glücklicher damit ... aber man kam nie über seine Wut hinweg. Niemals.
VII
Grant schwitzte, während er in Yanni Schwartzes äußerem Büro wartete, ohne angemeldet zu sein und nur mit Marges freundlicher Empfehlung, um durch diese Tür zu kommen. Er hörte, wie Yanni Marge anschrie. Er konnte seine Worte nicht verstehen. Er stellte sich vor, es habe mit Störungen und mit Justin Warrick zu tun.
Und für einen Moment wäre er am liebsten aufgestanden und gegangen, möglichst schnell sogar, weil ihm von der einen Sekunde zur anderen klar wurde, daß er Justin nur Ärger einbringen konnte, indem er hierher kam. Er wußte nicht genau, ob Yanni ihn nicht so sehr verletzen würde, daß er etwas sagte, was er nicht sollte. Yanni gehörte zu jener Sorte geborener Menschen, mit denen er nicht gern zu tun hatte, die emotional und laut waren und mit jeder Bewegung Bedrohung ausstrahlten. Die Männer, die Grant in die Baracke in den Bergen gebracht hatten, waren von demselben Schlag gewesen. Giraud hatte sich so verhalten, als er ihn ausfragte. Grant saß wartend da und vermied es, sich von Panik erfassen zu lassen, indem er seinen Geist leerte und nicht wieder darüber nachdachte, bis Marge schließlich kam. und sagte:
»Er will Sie empfangen.«
Er stand auf und verbeugte sich leicht. »Danke, Marge.«
Er ging ins innere Büro, trat vor den großen Schreibtisch und sagte: »Ser, ich möchte mit Ihnen über meinen ZIV reden.«
Wie es sich für einen Azi gehörte. Justin sagte, Yanni wäre zu seinen Patienten ganz freundlich. Deshalb versuchte es Grant mit dieser Masche und stand ganz ruhig da.
»Ich habe keine Sprechstunde«, sagte Yanni.
Yanni wollte ihm also nicht entgegenkommen. Deshalb ließ Grant die Pose eines schweigsamen Annies fallen, zog den freien Stuhl heran und setzte sich.
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