Geklont
Aber es geschah tatsächlich. Florian und Catlin konnten es wirklich tun. Sie wußte nicht recht, ob sie sich deswegen sicherer fühlte, aber sie hatte dabei weniger das Gefühl, daß die Dinge sie überrollten, »...hätten wir immer noch Schwierigkeiten. Außerdem könnten sie Mama und Ollie erwischen. Ganz bestimmt.« Das verstanden die beiden nicht, dachte Ari, weil sie nie eine Mama gehabt hatten, aber sie sahen Ari an, als nähmen sie es sehr ernst. »Ich fürchte, das haben sie schon. Sie sind auf Fargone. Ich habe ihnen Briefe geschickt. Sie müßte sie inzwischen bekommen haben, jetzt bin ich mir nicht mehr sicher...« Verdammt, sie schniefte fast. Sie sah, daß Catlin und Florian sie sehr besorgt ansahen. »... nicht mehr sicher«, stieß sie in rauhem, wütenden Ton hervor, »ob man sie überhaupt abgeschickt hat.«
Das verstanden sie anscheinend nicht. Sie überlegte, ob sie etwas ausgelassen hatte, was sie wissen sollten.
»Wenn wir Feinde haben«, sagte sie, »weiß ich nicht, was sie wollen. Manchmal glaube ich, Mama hat mich hier gelassen, weil es zu gefährlich gewesen wäre, sie zu begleiten. Manchmal glaube ich, sie hat mich hier gelassen, weil sie dazu gezwungen worden ist. Aber ich weiß nicht, warum, und ich weiß nicht, warum sie's mir nicht gesagt hat.«
Die Azis schwiegen eine Zeitlang. Dann sagte Florian: »Ich glaube nicht, daß ich das beurteilen kann. Ich glaube nicht, daß Catlin das könnte. Das ist eine Sache der ZIVS. Wir verstehen ZI Vs nicht.«
»ZIVs haben Verbindungen«, erklärte Ari. Es war so, als verrate sie ihnen, wie man jemanden bearbeitete. Sie fühlte sich unwohl dabei. Zur Veranschaulichung krümmte sie zwei Finger und verhakte sie. »Mit anderen ZIVS. Wie du mit Catlin und Catlin mit dir und ihr beide mit mir. Manchmal sind sie sehr eng, unheimlich eng. Das ist das erste. ZIVs tun Dinge füreinander, manchmal weil das ein gutes Gefühl ist, manchmal weil sie einander bearbeiten. Und manchmal tun sie etwas, um sich gegenseitig zu erwischen. Sehr oft, um sich selbst, manchmal um ihre Verbindungen zu schützen: Verbindungen sind manchmal sehr viel mehr in Gefahr, wenn man seinem Feind nicht genau wissen läßt, mit wem man überhaupt Verbindungen hat, und ob darunter auch Leute sind, mit denen er selbst Verbindungen hat. Wie miteinander verbundene Gebäudetrakte.«
Ihre weit geöffneten, aufmerksamen Augen ließen nicht von ihr ab. Sie wirkten besorgt. Selbst Catlin.
»Wenn man will, kann man also jemanden dazu bringen, etwas für einen zu tun, wenn man ihm sagt, man würde sonst ihm oder jemandem, mit dem er verbunden ist, weh tun. Wenn jemand versuchen würde, mir weh zu tun, würdet ihr ja auch etwas unternehmen.« Während sie das sagte, dachte sie: Sie wollen also bestimmt etwas von Mama, weil Mama wichtig ist. Wenn das stimmt, geht's ihr gut. Sie bearbeiten sie durch mich.
Anders kann's nicht sein. Sie haben mir nicht gesagt, sie würden Mama weh tun.
Kann das sein?
Aber es sind Ältere, wie Florian sagt, und sie wissen immer mehr und sagen einem nicht alles, was man braucht.
»Das ist eine Art, wie man Leute bearbeitet«, fuhr Ari fort. »Es gibt noch andere. Zum Beispiel kann man herausfinden, was sie wollen, und es fast tun und dann doch nicht, wenn sie einen nicht zufriedenstellen. Aber Mama würde mich nicht einfach für etwas zurücklassen, was sie haben will.«
Oder doch?
Gibt es etwas, das sie mehr will als mich?
Ollie?
»Es gibt Möglichkeiten, jemanden auf die Art zu erwischen, statt ihn bloß zu bearbeiten. Man muß ihn in Schwierigkeiten bringen. Das ist nicht sehr schwer. Man muß nur wissen...«
Wie kann man Giraud in Schwierigkeiten bringen?
Was würde ich dafür zurückbekommen, wenn ich ihn so bearbeiten konnte?
»... man muß eben auch wissen, wer es ist, wie viele es sind, und was sie haben. Es ist genau dasselbe. Aber das kann man herausfinden, wenn man sie ein bißchen bearbeitet und dann aufpaßt, was sie tun.«
Ihre Blicke ließen keinen Moment von ihr ab. Es war einfach so, daß sie lernten, sie schenkten ihr auf eine Weise Aufmerksamkeit, wie es nur Azis konnten, und sie würden keine einzige Frage stellen, ehe sie fertig war.
»Was mich angeht«, sagte sie und achtete sorgfältig darauf, wieviel sie preisgab, »verrate ich niemandem mehr, als ich muß. Sie holen Nelly und fragen sie aus, und sie erzählt ihnen alles frei heraus. Ich kann sie nicht so bearbeiten, daß sie das sein läßt. Ich wünschte, ich könnte das.
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