Geklont
Ser«, erwiderte Florian. »Da ist keine Leitung, Ser. Kommen Sie, ich helfe Ihnen.«
»Ich will mit Ari reden.«
»Ich bin hier«, sagte sie von der Tür. »Ich bin gleich hier.«
»Paß auf«, befahl er knapp, öffnete den Verschluß der Phiole und schluckte seine Pille, während das Herzkontrollgerät alarmrot blinkte. Er betrachtete die aufblitzende Lampe und konzentrierte sich, wollte unbedingt ruhiger werden. »Ihr Patient neigt zur Panik, Sera. Ich hoffe inständig, Sie vergessen das nicht.«
»Ich werde daran denken«, sagte Ari ganz ruhig.
Er arbeitete mit dem Monitor, starrte ihn an, konzentrierte sich nur auf das Tempo der Blitze. Gedanken an seinen Vater, an Grant keimten auf, nur für eine Sekunde, und das Licht blitzte schneller; langsam, dachte er nur, während die Betäubung einsetzte und Panik sich zu behaupten versuchte. Er spürte eine Berührung an seiner Schulter, hörte Florian, der ihm zuredete. »Legen Sie sich hin, Ser, lehnen Sie sich bloß zurück. Ich halte Sie fest.«
Er blinzelte, dachte einen Moment an den jungen Florian, ging in Gedanken die Jahre durch, in denen Florian stark genug geworden war, um mit seinem Gewicht fertig zu werden, jener Florian, der sich gerade über ihn beugte ...
»Bleiben Sie ruhig, Ser«, hörte er seine sanfte Stimme. »Bleiben Sie ruhig. Liegen Sie bequem?«
Er spürte eine untergründige, sehr diffuse Panik. Die Betäubung nahm zu, und sein Augenlicht verblaßte. Sein Herz begann vor Angst zu rasen.
»Ruhig«, sagte Ari, eine Stimme, die seine Panik mit vollkommener Autorität durchdrang. »Nicht aufregen. Kein Grund zur Besorgnis. Alles ist in Ordnung. Hörst du mich?«
III
»Hat dein Vater je mit diesen Leuten zusammengearbeitet?« fragte Ari, die auf dem Rand des Sofas saß und Justins schlaffe Hand hielt.
»Nein«, antwortete er. Das bedeutete natürlich, soweit Justins Kenntnisse reichten. Nein, nein und nochmals nein. Sie sah das Herzkontrollgerät in einer sehr starken Beschleunigung des Herzschlags aufblitzen.
»Hat er sich mit irgend jemandem gegen Reseune verschworen?«
»Nein.«
»Und du?«
»Ich auch nicht.«
Er hatte sich mit niemandem verschworen. Nicht gegen Reseune. Und auch nicht gegen Ariane Emory.
Justin zumindest wußte von keinem Komplott.
»Hat dich der Sicherheitsdienst nie gestört?«
»Doch.«
»Meinst du, daß sich die Dinge jemals ändern werden?«
»Ich... hoffe es.«
»Was hoffst du?«
»Daß sich alles normalisiert. Daß ich in Frieden leben kann. Daß die Leute mir glauben. Und daß sich dann die Dinge ändern.«
»Hast du Angst?«
»Immer.«
»Wovor?«
»Vor Fehlern. Vor Feinden.«
Wenn er mit ihr arbeiten konnte, hoffte er - würde es etwas über ihn und seinen Vater beweisen, in einer friedlicheren Welt...
Er hatte mehr um Grant als um Jordan Angst. Jordan hatte seinen Status als Sonderperson, der ihn beschützte. Grant - wenn sie ihn verhörten - wäre das Opfer von Dingen, die sie versuchen würden, ihm einzuimpfen, Ideen und Verhaltensweisen, die sie zu formen versuchen würden -
Grant würde ihnen widerstehen. Er würde sich in den Nullzustand versenken und darin verharren, das hatte er früher schon getan. Aber wenn sie weiter an ihm arbeiteten ...
Wenn er hier in Reseune festgehalten wurde, wenn die Administration Reseunes entschlossen war, Anklage zu erheben, dann konnten sie das tun. Justin hielt das für möglich - die Politik zählte immer mehr als die Wahrheit. Und auf jeden Fall mehr als das Leben eines Warrick.
»Jordan ist kein Mörder«, sagte Justin. »Dazu ist er nicht fähig. Was immer passiert ist, war ein Unfall. Sein Fehler bestand darin, es vertuschen zu wollen. Das ist meines Wissens nach passiert.«
»Woher weißt du das?«
»Ich kenne meinen Vater.«
»Selbst nach zwölf Jahren noch?«
»Ja.«
Er war dem Umkippen nahe, dem Punkt, da die Wirkung der Droge nachlassen würde. Und sie war ganz heiser vom Fragen und von der Anstrengung.
Ich weiß fast genug, um mich auf das einzulassen, was Ari getan hat, dachte sie. Fast. Aber er ist nicht der Junge, mit dem sie gearbeitet hat.
Ich konnte ihn so bearbeiten, daß er mich begehrt. Ganz einfach. Ohne Mühe.
Sie dachte an das Band, und die Erinnerung war von sexuellen Flashbacks begleitet, die sie ziemlich beunruhigten.
Verdammt, nein, ging es ihr durch den Kopf, als sie über die möglichen Überschneidungen mit so vielen Knotenpunkten in seinen Sets nachdachte. Verdammt, Ari, verdammt, nicht so schnell,
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