Geklont
beweist, wird er immer noch etwas finden.«
Sie schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich, daß ich Denys gesagt habe, ich hätte Aris Arbeitsnotizen? Ich sage ihm einfach, daß ich die Situation durchaus im Griff habe, und daß, wenn ich fertig bin, es keinen Unterschied mehr machen wird, was Jordan gemacht hat oder nicht, und daß er, wenn er sich über den Einfluß der Warricks sorgt, aufhören kann, sich Sorgen zu machen, denn ich arbeite an euch beiden.«,
Es klang glaubwürdig, dachte er; und es klang so sehr nach der Wahrheit hinter der vorgeblichen Wahrheit, daß es zu seinen quälenden Sorgen beitrug und ihn an Emorys ganze Gerissenheit erinnerte - wie sie, um andere auszutricksen, eine Wahrheit auf die andere häufte und welchen makabren Sinn für Humor sie hatte. Er rieb sich den Nacken und versuchte nachzudenken, aber seine Gedanken nahmen vor der Panik Reißaus bis auf den einen, der ihn gemahnte, daß er keine Wahl habe, daß dieses Kind die einzige Kraft im Haus war, auf die es letztlich ankam, keine Wahl, keine Wahl, keine Wahl.
... abgesehen davon, hörte er sie am Frühstückstisch sagen, wenn deine Sicherheit von meiner abhängt, ist es doch ziemlich unwahrscheinlich, daß dein Vater etwas gegen Reseune unternehmen würde, oder?
»Ich erzähle dir etwas über Giraud«, sagte sie. »Manchmal hasse ich ihn. Manchmal liebe ich ihn fast. Er empfindet absolut nichts für Menschen, deren Gegner er ist. Er ist fasziniert von kleinen Modellen, Mikrokosmen und wissenschaftlichen Tricks. Sich selbst betrachtet er als einen Märtyrer. Es ist ihm zuwider, schmutzige Arbeit zu erledigen und gehaßt zu werden. Er hat sehr wenige weiche Stellen - eine davon ist seine Auseinandersetzung mit deinem Vater, in der eine Menge persönlicher Abneigung mitspielt; eine andere bin ich - ich, weil ich das einzige Objekt bin, an dem er je gearbeitet hat, das seine Arme um ihn legen und ihm etwas zurückgeben kann. So ist Giraud. Wir stehen auf entgegengesetzten Seiten von ihm. Ich sage das nicht, damit er dir leid tut. Ich möchte nur, daß du weißt, wie er ist.«
»Ich weiß, wie er ist, danke.«
»Wenn Menschen einem etwas Schlimmes antun - ruft das dieses kleine Ego-Netz-Problem hervor, nicht wahr, lernen wir das nicht in der Psychologie? Es kommen diese kleinen Ego-Netz-Krisen vor, wenn man das Gefühl hat, man sei selbst schuld, oder alle glaubten, man habe unrecht - läuft das nicht so? Und das Ego muß sich neu strukturieren, die Zweifel hinunterspülen und dem Feind einen einzigen Wert zuordnen, damit kein Zweifel mehr besteht, daß er unrecht und man selbst recht hat. Funktioniert das nicht so? Das weißt du alles. Wenn du über diese Zuordnung eines einzelnen Werts nachdenkst, fängt das Fließen wieder an, und es tut höllisch weh. Aber was ist, wenn du ein vollständiges Bild Girauds gewinnen mußt, um zu wissen, was du wissen solltest?«
»Wahrscheinlich bleibt niemand ganz objektiv«, erwiderte Justin, »wenn's um seinen Arsch geht.«
»Giraud hat dich zum Fließen gebracht. Ganz schön. Willst du ihn damit durchkommen lassen, oder wirst du mir zuhören?«
»Machst du das unter Einfluß von Kath, Sera?«
»Nein. Du würdest den Widerhall spüren, wenn das der Fall wäre - oder nicht? Du gerätst in meiner Gegenwart so ins Fließen, daß du nicht geradeaus denken kannst. Das gilt für Giraud und Jordan genauso. Und wenn's um dich selbst geht. Bei allen außer Grant. Deshalb sollst du ihn beschützen. Das ist mein Vorschlag, und ich bin langfristig die einzige, die dir dieses Angebot machen kann. Giraud stirbt bald.«
Er stand da, und ein Adrenalinschub machte ihm zu schaffen, aber sein Körper wurde durch die Überlastung unempfindlicher. Ebenso sein Gehirn. Und das Fließen geriet wieder in Gang, auch wenn er wußte, daß es ihre Taktik war, auch wenn er Schritt für Schritt voraussah, was sie tat, auch wenn er bemerkte, daß Stiche auf einer tiefen Ebene dies vorbereitet hatten, auch wenn er es erstaunlich fand, daß sie aus dem Verborgenen agierte und improvisieren mußte.
Der Knoten löste sich. Für einen schwindelerregenden Augenblick war er so weit offen, wie es sonst nur mit Hilfe von Drogen gelang.
»In Ordnung«, sagte er. »Die Sache hat nur einen Haken: Grant ist nicht sicher, wenn du an ihm herumpfuschen kannst.«
»Grant würde nie etwas gegen dich unternehmen. Mehr Kontrolle kann ich mir nicht wünschen. Ich wäre eine Idiotin, wollte ich dir den einzigen festen Bezugspunkt nehmen,
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