Geklont
Grund, glaube ich, weil er bei seiner Arbeit nie das Gefühl hatte, fertig zu werden, nur ein fortlaufendes Fließen erlebte und Entscheidungen fällen mußte, die niemand sonst fällen wollte. Es ist nicht wahr, daß er nur Befehle ausgeführt hat. Er hat sich mit Denys über die Vorgehensweise beraten; er führte Entscheidungen des Amts aus; aber er kannte den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Idee und hat nie gezögert, seine eigenen Ideen zu verteidigen. Er hat nur kein Aufhebens darum gemacht, das ist alles. Er hat den Kern eines Problems erkannt und nach Lösungen gesucht, die Erfolg versprachen.
Er hat der Union bei den Kriegsanstrengungen gedient. Er hat ein wichtiges Werk über die menschliche Persönlichkeit und über das Gedächtnis geschrieben, das heute noch zu den Standardwerken auf diesem Gebiet gehört. Mitten in einer nationalen Krise übernahm er den Ratssitz und vertrat zwei kritische Jahrzehnte lang die Interessen des Amts - bis in meine Generation hinein, der ersten Generation in der Union, die nicht in direkte Berührung mit der Begründung oder dem Krieg gekommen ist.
In diesem letzten Jahr hat er viel mit mir geredet: Abban ist oft hin und her geflogen...« - sie suchte Abbans Blick, aber er starrte ins Nichts, wie es typisch für einen leidenden Azi war - »... und hat Botschaften von einem zum anderen transportiert. Er wußte durchaus, daß er bald sterben würde; und die Frage, ob es ein Replikat von ihm geben solle, hat ihn nicht sonderlich interessiert. Wir haben uns darüber unterhalten, wie über viele Dinge, von denen manche privater, manche allgemeiner Natur waren. Er hat es alles sehr ruhig hingenommen. Sein Bruder war ihm sehr wichtig. Am meisten hat mich beeindruckt, wie er alles vorbereitet, wie übersichtlich er alles arrangiert hat...«
Ganz gleich, welchen Schlamassel Denys aus diesen Arrangements gemacht hat.
»Während des letzten halben Jahres hat er alles so gut organisiert, daß diejenigen von uns, die von ihm instruiert wurden, in sein Büro gehen, einen Blick auf die Tagesordnung werfen und genau feststellen konnten, wo alle Akten lagen und was am dringendsten war. Er hat zugegeben, daß er Angst vor dem Sterben hatte. Mit Sicherheit wäre er froh gewesen, noch fünfzig Jahre bei uns bleiben zu können. Er hat nie Bedauern für irgend etwas gezeigt, das er getan hat; und nie jemanden um Verzeihung gebeten; er übergab mir nur die Schlüssel und die Akten und schien davon berührt zu sein, daß ich ihm verzieh. Das war Giraud, wie ich ihn kannte.«
Dabei beließ sie es.
Ich habe die Akten. Das war auch Berechnung. So wie sie es mit der Presse gemacht hatte.
Auf keinen Fall, um Lynch zu unterminieren. Denys schlug den Posten aus, und jemand mußte ihn besetzen;
Reseune stand unter einem schweren Schock. Es gab Leute, die Yanni bedrängten, sich um den Sitz zu bewerben und Lynch herauszufordern.
Nein, hatte Denys gesagt, der noch besonnen genug war, um diese Möglichkeit vorauszusehen. Lynch soll von niemandem herausgefordert werden. Er ist harmlos. Laßt ihn in Frieden!
Was Yanni darüber dachte, stand nicht fest. Ari glaubte nicht, daß er sich um diese Ehre riß.
Aber Denys' Weigerung hatte Yanni um die Chance gebracht, die Administration Reseunes zu übernehmen. Und das, dachte sie, wie sehr man auch in Reseune damit gerechnet haben mochte, daß Denys sich weigerte, war mit Sicherheit eine Enttäuschung.
Sie überlegte sich, nach dem Gottesdienst zu Yanni hinüberzugehen, ihn am Arm zu fassen, ihm für seine Unterstützung zu danken und sich zu vergewissern, daß die ganze Familie es sah.
Um sicherzugehen, daß die ganze Familie wußte, daß Yanni nicht aus dem Rennen war, weil ihre Zeit schließlich noch kam. »Ich weiß, was du tust«, sagte sie leidenschaftlich, ohne darauf zu achten, ob jemand sie hörte. Einige hörten sie bestimmt, das wußte sie. »Das werde ich nicht vergessen, Yanni. Hörst du?«
Sie drückte seine Hand. Yanni sah sie an, als habe er einen Augenblick lang nicht für möglich gehalten, daß es mehr als ein Trostpflaster für seine verletzte Eitelkeit war, und dann gemerkt, daß es viel mehr war, auf jene subtile Art, wie man das in der Familie einander anmerkte.
Ohne daß sie ein direktes Wort geäußert hatte. Aber es gab genug Zeugen. Und Yanni war zutiefst berührt.
Ihretwegen, schätzte Ari, als die anderen es merkten, auf dieselbe Art wie Amy, Maddy und die jüngere Generation.
Auch andere im Haus
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