Geklont
er seine Schreibunterlage und die Berichte vergessen hatte und sie lieber neu schrieb, als sie sich zurückzuholen. Er fieberte diesem von Ari anberaumten Termin, dieser verfluchten, unausweichlichen Begegnung mit der sorgsam gehegten Hoffnung entgegen, daß er vielleicht etwas von seiner Selbstachtung zurückgewinnen könnte, wenn er sich ihr jetzt gleich stellte.
Sie war steinalt, aber sie war noch nicht ganz über ihre Rejuvenilisierung hinaus. Sie sah aus - vielleicht wie Ende Vierzig; und er hatte Holos von ihr mit zwölf und sechzehn gesehen, als ihr Gesicht noch nicht die spröde Schönheit angenommen hatte, die es jetzt aufwies. Während andere Frauen verblaßten, die sechsmal so alt waren wie er, war sie immer noch einen Blick wert; was sie hatte, war dasselbe wie Julia Carnath im Dunkeln, sagte er sich voller Zynismus, an dem er sich aufrichtete - und besser als Julia, schließlich war Ari dem gewachsen, hinter dem sie her war. In Reseune schlief vernünftigerweise jeder mit jedem anderen früher oder später einmal, deshalb fiel es völlig aus dem Rahmen, daß Ari Emory ihre Jugend mit dem Replikat eines Mannes erneuern wollte; der mit seinen siebzehn dreimal jünger als sie war, wäre sie Ende Vierzig gewesen. Die Situation hätte vielleicht ein lautstarkes Lachen verdient, wären die Dinge nicht so unangenehm und nicht er der fragliche Siebzehnjährige gewesen.
Er war sich nicht sicher, ob er überhaupt etwas tun konnte, aber er sagte sich, sie könnte immerhin eine Erfahrung sein: Seine Erfahrungen waren auf Julia beschränkt, die ihn am Ende um Grant gebeten hatte - was ihn so sehr verletzt hatte, daß er nie mehr zu ihr zurückgegangen war. Das war so gut wie die Summe seiner Liebesaffären, und er war fast zu dem Schluß gekommen, daß Jordan mit seiner Weiberfeindschaft recht hatte. Ari war eine Schlange, sie verkörperte alles Verwerfliche, aber der Schlüssel zu der ganzen Sache, glaubte er, lag in seiner eigenen Einstellung. Wenn er ihn benutzte, wenn er ihn handhabte, als sei er, wie Jordan es ausdrückte, einer seiner dummdreisten Tricks, dann hatte Ari keine Waffe gegen ihn. Besser konnte er das Problem nicht angehen, und genau dazu hatte er sich entschlossen - sei ein Mann, kämpfe dich durch den ganzen Mist, lerne daraus (und weiß Gott, es gab einiges, was eine Frau in Aris Alter ihm beibringen konnte ... in verschiedener Hinsicht) - laß Ari tun, was sie will, laß sie ihre kleinen Spiele spielen und entweder das Interesse verlieren oder nicht.
Er konnte sich vorstellen, dergleichen auf einer Seite in Aris Notizbuch zu finden - daß ein Siebzehnjähriger normalerweise nicht auf eine Frau in ihrem Alter scharf war -, aber eine Frau dieses Alters mochte ein echtes emotionales Bedürfnis nach einem gutaussehenden, gut angepaßten ZIV-Bettgefährten haben. Sollte sie doch ruhig anbeißen!
Dann würde sie das Problem haben, und er die Lösung.
Vielleicht boten Alter und Eitelkeit ihm eine Möglichkeit, mit ihr fertigzuwerden, eine Schwäche, auf die niemand sonst stoßen konnte, weil niemand sonst der siebzehnjährige Junge war, den sie wollte.
VIII
Seine Uhr zeigte 21:05, als er vor diese Tür trat und die Klingel von Aris Apartment betätigte - fünf Minuten zu spät, damit Ari sich fragte, ob er auftauchen oder ob er und Jordan statt dessen etwas aushecken würden; und nicht mehr als fünf Minuten, weil er fürchtete, daß Ari, wenn sie das dachte, Maßnahmen veranlassen könnte, die sie selbst vielleicht nicht mehr würde rückgängig machen können.
Es war Catlin, die die Tür zu einem Apartment öffnete, das er nie gesehen hatte - größtenteils mit braun-gelbem Travertin und weißen Möbeln ausgestattet, sehr kostspielig, die Art von Einrichtung, die Ari sich leisten konnte und der Rest von ihnen nur in Räumlichkeiten wie denen der Staatshalle in den Nachrichtensendungen sah; und die blonde, mit einer Haarflechte gekrönte Catlin tadellos in ihrer schwarzen Uniform, sehr förmlich - aber das war sie schließlich immer. »Guten Abend«, sagte sie zu ihm, eines der wenigen Male, daß er überhaupt ein freundliches Wort von ihr zu hören bekommen hatte.
»Guten Abend«, erwiderte er, als Catlin die Tür zufallen ließ. Musik war zu erahnen, die kaum in seine Ohren drang... eine elektronische Flöte, so kalt wie die Steinflure, durch die sie hallte. Er spürte einen Schauer in seinen Gliedern. Er hatte nichts gegessen als eine Handvoll gesalzener Chips zu Mittag und eine
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