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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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endlich die Flasche auf einen in der Mitte des Tisches bereitgelegten Untersatz. Als er den ersten Schluck nahm, zog er ein Gesicht wie ein Kind, dem man eine bittere Medizin gegeben hat. Werner verstand eine Menge von Wein, doch wenn er welchen trank, tat er so, als schmecke er nur den Saft saurer Trauben. »Angenommen, Frank wusste alles über Zenas Interesse an alten Büchern«, sagte er langsam und bedächtig. »Frank ist doch schließlich der Leiter eines geheimen Nachrichtendienstes, habe ich recht?«
    »Ja«, sagte ich, den Sarkasmus ignorierend.
    »Und nun nimm mal an, Frank hat einen Grund zu glauben, dass der Stasi seine Bizet-Leute in Ruhe läßt, wenn er ihm die arme Zena ausliefert. Vielleicht lassen sie die Gefangenen sogar raus?« Ich sagte nichts. Ich nippte an meinem Glas und versuchte, meine Gedanken zu verbergen. Dann ist das verdammt gut für Frank, dachte ich. Aber es klang alles höchst unwahrscheinlich. Ich hatte den Verdacht, dass Frank Zena noch zu gern hatte, als dass er sie so kaltblütig hätte in die Pfanne hauen können. Aber falls er wirklich irgendeinen bizarren Handel angebahnt hatte, bei dem zwei oder drei von unseren Leuten freikamen, wenn wir einen Ring billiger Gauner auffliegen ließen, die Antiquitäten, Bücher und was weiß ich noch alles, Sachen, die vielleicht sogar irgendwo geklaut waren, in den Westen verschoben, dann war das sehr gut für Frank. Nach einem solchen Handel würde ich mir alle Finger abschlecken. Deshalb sagte ich nichts.
    »Vergiss nicht, dass es um Zena geht«, sagte Werner.
    Nein, das vergesse ich nicht. Das macht einen Tauschhandel wie diesen noch zu einer Wohltat für die Allgemeinheit.
    »Nein«, sagte ich, »gerade daran denke ich.«

    - 176 -
    »Ein verfluchter Judas ist er«, sagte Werner. Er trank noch einen Schluck Wein, der ihm aber auch nicht besser zu schmecken schien als der erste.
    »Hast du irgendeinen Grund, das zu glauben?« fragte ich.
    »Ich hab’s im Urin«, sagte Werner mit einer Stimme, die ich nicht wiedererkannte.
    »Frank würde so etwas nicht tun«, sagte ich, mehr, um Werner zu beruhigen, als weil ich selbst ganz davon überzeugt gewesen wäre. Frank mochte Zena, aber Frank konnte auch skrupellos sein. Ich wusste das, und Werner wusste es auch.
    Und wenn sie nur einen Funken Verstand hatte, dann wusste das auch die unselige Zena.
    »Doch, würde er«, sagte Werner scharf. »Das ist genau eine von den Sachen, die er jederzeit machen würde, eine von den Sachen, für die die Engländer berüchtigt sind. Das weißt du.«
    »Das perfide Albion, was?«
    Er schien die Bemerkung nicht komisch zu finden. Er antwortete nicht, würdigte mich nicht mal eines Blickes. Er saß einfach da, das Gesicht starr, die Augen feucht und die großen Hände so fest ineinander verkrampft, dass das Blut aus den Knöcheln wich.
    Ich hatte ihn noch nie in einem solchen Zustand gesehen.
    Ob es nun die Sorge um Zena oder der glühende Hass auf Frank war, es machte ihn fertig. Ich beobachtete, wie er sich zornig die Lippen zerbiss, und bekam Angst um ihn. Ich hatte schon einige Menschen gesehen, die so unter Druck standen; und ich hatte erlebt, wie plötzlich etwas in ihnen zerbrach. »Ich werde sehen, was sich machen läßt«, sagte ich, aber es war zu spät für solche Angebote.
    Durch zusammengebissene Zähne sagte Werner: »Gleich morgen früh gehe ich ins Büro. Ich werde den D.G. finden und ihn zwingen, irgend etwas zu tun. Zwingen werde ich ihn!«
    »Das würde ich dir nicht raten, Werner«, sagte ich besorgt.
    »Nein, Werner, wirklich nicht.« Die Vorstellung, wie der

    - 177 -
    schwarzbärtige Werner am Eingang der Londoner Zentrale Spektakel machen und der gestrenge Feldwebel Gaskell sich bemühen würde, ihn zur Räson zu bringen, und die Fragen, die ich daraufhin unweigerlich zu beantworten hätte – das wollte ich mir gar nicht weiter ausmalen. Ich goß den Rest des Meursault in mein Glas. Der Wein war warm. Werner hatte vergessen, die Flasche wieder in den Kühlschrank zu stellen.
    Alles in allem, Donnerstag war kein guter Tag.

    - 178 -

13
    Ich habe einen leichten Schlaf. Den braucht man in meiner Branche. Aber nicht das tiefe Dröhnen des Motorrads weckte mich – die ganze Nacht rattern welche am Haus vorbei –, sondern das plötzliche Verstummen des Motors. Als das Gartentor ins Schloss fiel, war ich hellwach. Ich hörte Schritte
    – Stiefel mit hohen Absätzen auf dem gepflasterten Weg zur Haustür – und war schon aus dem Bett, als

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