Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
Vom Netzwerk:
viel ernstere Schwierigkeiten bringen, als sie jetzt hat.« Ich ersparte mir einen Hinweis darauf, dass weder Dicky noch sonst jemand, der im Büro was zu sagen hatte, auch nur erwägen würde, eine von Frank angezettelte Operation zu beenden, nur weil ich das verlangte. Allem Anschein nach durfte Frank in eigener Verantwortung handeln, und das bedeutete, sein Wort war allen Befehl.
    »Wie kann er wagen, Zena zu bitten, ihm zu helfen?« War das der wahre Brennpunkt von Werners Zorn: Frank Harrington? Die beiden hatten einander noch nie über den Weg getraut. Schon bevor er Werner die Frau ausspannte, hatte Frank dafür gesorgt, dass Werner von der Berliner Einsatzgruppe nicht mehr beschäftigt wurde. Und so konnte man jetzt Werner nicht mehr davon überzeugen, dass Frank war, was er war: ein sehr fähiger und erfahrener Dienststellenleiter und der Archetyp eines englischen Gentleman, der nicht nur das Interesse abenteuerlustiger junger Frauen zu wecken wusste, sondern ihnen auch oft selbst in die Falle ging.
    Und ich konnte Werner auch schlecht erklären, dass seine Frau inzwischen gelernt haben sollte, Frank aus dem Weg zu gehen. Also sagte ich nur: »Wann erwartest du sie zurück?«
    »Montag.« Er strich sich den Bart. Glenn Gould nahm die Finger von den Tasten, aber nach ein paar klickenden Geräuschen aus der Apparatur begann Art Tatum zu spielen.
    Werner liebte das Klavier. Früher spielte er selbst auf so ziemlich jeder wilden Party in Berlin. Wenn ich ihn jetzt ansah, fiel’s mir schwer zu glauben, dass wir die Sachen, an die ich mich erinnerte, wirklich alle gemacht hatten.
    »Es wird ihr schon nichts passieren«, sagte ich.

    - 171 -
    Sichtlich nicht überzeugt nickte er, ohne zu antworten, und betrachtete sein Glas Mineralwasser eine Zeitlang misstrauisch, ehe er einen Schluck daraus trank. Dann sah er mich an, zuckte leicht mit den Achseln, lächelte und erhob sich, um die Weinflasche aus dem Kühlschrank zu holen und mein leeres Glas nachzufüllen.
    Ich beobachtete ihn aufmerksam. Da war noch etwas, irgendein anderer Aspekt an dieser Geschichte, aber ich fragte nicht danach. Sein Zorn hatte den Höchststand erreicht. Es war besser, wenn er sich erst einmal abreagierte.
    Es klopfte an der Tür, ein uniformierter Angestellter des Apartmenthauses und ein Restaurantkellner traten auf wie zwei erfahrene Varietékünstler und stellten im Handumdrehen zwei Klappstühle und einen Klapptisch samt zugehörigem Geschirr auf. Zu den Steaks gab es Spinat. Die beiden Portionen Lachs-Mousse, die der Kellner uns unbedingt zeigen wollte, lagen unter den schweren Silberglocken, die man immer dann braucht, wenn man verhindern will, dass mikroskopisch kleine Mengen an Nahrung sich verflüchtigen.
    Erst als die beiden gegangen waren und wir an dem Tisch Platz genommen hatten, um die Mousse zu essen, kam Werner wieder auf Zena zu sprechen. »Ich liebe sie, Bernie. Ich kann nicht anders.«
    »Ich weiß, Werner.« Die Lachs-Mousse versank in einer Pfütze hellgrüner Sauce; eine rosa, leicht abgeschrägte Scheibe, auf der Gemüsestückchen versammelt waren wie Schiffbrüchige in Erwartung des Rettungsbootes. Ich aß es schnell auf.
    »Und so mache ich mir eben Sorgen«, sagte Werner und zuckte resignierend mit den Achseln. Er tat mir leid. Ich konnte mir nur schwer vorstellen, in Zena verliebt zu sein. Den Wunsch, ihr den Hals umzudrehen oder zur Fremdenlegion zu gehen, um ihr zu entrinnen, hätte ich dagegen leicht

    - 172 -
    nachempfinden können. »Sie ist die einzige Frau für mich«, sagte Werner, als bäte er um Nachsicht.
    Ich denke manchmal, dass er sie liebte, weil sie unfähig war, irgend jemanden zu lieben. Ein Freund erklärte mir einmal, dass er sich das Studium der Reptilien zur Lebensaufgabe gemacht habe, weil ihn deren vollkommene Unfähigkeit, Zuneigung zu erwidern, fasziniere. Ich glaube, Werners Beziehung zu Zena war genauso. Zena schien weder für Lebende noch für Tote auch nur das Geringste zu empfinden.
    Für sie waren alle Leute gleich, und sie verfuhr mit ihnen auf eine Weise, die sie selbst »nur gerecht« nannte, die manche ihrer Kritiker dagegen als »faschistisch« bezeichneten.
    Aber es hatte keinen Zweck, mit Werner über Zena zu reden. Werner fand keinen Fehler an ihr. Ich weiß noch, wie Werner Mädchen aus unserer Klasse anschwärmte. Seine Liebe kannte keine Grenzen, er verehrte sie. Gewöhnlich fanden die Mädchen das lächerlich, und meist erlosch dann nach einer Weile Werners Flamme. Ich

Weitere Kostenlose Bücher