Geködert
mich, um festzustellen, ob ich stellvertretend für Frank beleidigt war, und kniff sich die Nase, was er oft tat, wenn er Kummer hatte.
»Frank?« Frank Harrington war ein außerordentlich erfolgreicher Schürzenjäger. Und als Werner nun beider Namen zusammen nannte, fiel mir natürlich sofort ein, dass Frank und Zena vor einigen Jahren eine stürmische Affäre hatten. Wie ein gutbürgerlicher Wüstling des vergangenen Jahrhunderts hatte Frank seiner Geliebten sogar eine Wohnung eingerichtet, um sie dort ungestört besuchen zu können. Nach einer Weile – zumindest hat man es mir so erzählt – war es Zena zu langweilig geworden, da herumzusitzen und auf Frank zu warten. Zena war überhaupt nicht der Typ der unterwürfigen
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Geliebten des vergangenen Jahrhunderts. Seitdem hatte Zena sich höchstwahrscheinlich noch mit ein paar anderen Männern abgegeben, aber jedesmal kehrte sie zu dem armen alten Werner zurück. Er war der einzige, der es auf die Dauer mit ihr aushielt. »Frank und Zena?«
»Nicht so«, erwiderte Werner hastig. »Er läßt sie für das Department arbeiten. Und das ist gefährlich, Bernie. Verdammt gefährlich. Sie hat so was doch noch nie gemacht.«
»Erzähl mir die Geschichte lieber von Anfang an«, sagte ich.
»Zena hat Verwandte im Osten, die sie gelegentlich besucht.
Du weißt …«
»Ja, hast du mir erzählt.« Ich griff nach dem Schälchen gerösteter Salzmandeln, fand aber unter Salz und leeren Häutchen nur noch ein paar zerbrochene Stücke. Vermutlich hatte Werner die Schale geleert, während er hier auf mich wartete und sich Sorgen machte.
»Sie ist letzte Woche nach drüben gefahren.« Womit Werner natürlich die andere Seite der Mauer meinte. »Und jetzt erfahre ich, dass dieser verdammte Frank sie gebeten hat, dort jemand für ihn zu besuchen.«
»Einen von unseren Leuten?« fragte ich vorsichtig.
»Natürlich. Wen sonst kennt denn Frank da?«
»Du hast vermutlich recht«, sagte ich zurückhaltend.
»Frankfurt an der Oder«, sagte Werner. »Du weißt ja wohl, worum sich’s da handelt, oder?« Obwohl er die Stimme nicht hob, ließ er keinen Zweifel an seinem Zorn. Er war verdammt zornig, und irgendwie schien er mich für mitverantwortlich zu halten an einer Entwicklung, von der ich nichts wusste und auch weiterhin lieber nichts gewusst hätte.
»Das ist doch Spekulation«, sagte ich und war gespannt, ob er nein sagen würde.
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»Warum musste er Zena fragen?« Sein Gesicht verzerrte sich, als er sich wütend und sorgenvoll jetzt in die Unterlippe biss. »Er hat für solche Aufgaben doch seine eigenen Leute.«
»Ja«, gab ich zu.
»Es ist Bizet. Er versucht, wieder eine Kontaktkette aufzubauen.«
»Ihr wird schon nichts passieren, Werner«, sagte ich. Ich hatte Verständnis für Werners Zorn, aber ich hatte praktische Erfahrung mit diesen Operationen. Aus der Sicht des Agenten schien es manchmal sehr vernünftig, harmlose Reisende wie Zena in diese heikle Lage zu bringen. Man sagt ihnen nichts, also wissen sie auch nichts. Meistens kommen sie ungeschoren davon.
Meine anscheinende Gleichgültigkeit gegenüber den Schwierigkeiten, in denen Zena steckte, machte ihn noch zorniger, aber wie gewöhnlich lächelte er. Er lehnte sich in das Sofa zurück und streichelte das Telefon wie eine Schoßkatze.
Von unten drang das Dröhnen der Motoren der Überlandbusse ins Zimmer, die dort in die enge Seitenstraße einbiegen mussten, die zum Busbahnhof führte. »Du musst was für mich tun«, sagte er.
»Und was soll ich tun?«
»Hol sie da raus«, sagte er. Seine Finger trommelten auf das Telefon. Dann nahm er plötzlich den Hörer ab und bestellte, ohne zu fragen, was ich essen wollte, eine Mahlzeit aus dem Restaurant um die Ecke auf sein Zimmer: zwei Portionen der gepriesenen Lachs-Mousse und zwei Filetsteaks – eins davon gut durchgebraten –, und was immer es an Beilagen dazu gäbe.
Dann legte er auf und sah mich an. »Es wird spät«, erklärte er,
»wahrscheinlich schließt die Küche bald.«
Ich sagte: »Du willst sie doch nicht wirklich durch das Department rausholen lassen, oder? Nach dem, was du mir erzählt hast, weist doch nichts daraufhin, dass ihr unmittelbar Gefahr droht. Ich nehme an, Frank wird sie gebeten haben, ein
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paar Anrufe zu machen oder an eine Tür zu klopfen. Wenn ich jetzt ins Büro stürme und eine großangelegte
Rettungsoperation fordere, werden die denken, ich spinne. Und wirklich, Werner, wir könnten sie damit in
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