Gekroent
mein Kind.“
Sie drückte ihre Hand und ging dann zurück ins Herz des Usgaran, wo die anderen Priesterinnen und Handwerkerinnen sich versammelt hatten und ihrem Tagewerk nachgingen.
Morrigan seufzte und strich mit den Fingern über die Wand der Höhle. „Ich will hier raus“, flüsterte sie den Geistern der Kristallezu. „Führt mich an einen Ort, der nicht direkt unter Birkitas Nase liegt, und zeigt mir etwas Erstaunliches.“
Wir hören und gehorchen, Lichtbringerin , kam die muntere Antwort.
Sofort leuchteten auf Hüfthöhe Kristalle an der Wand auf. Wie eine lange Reihe Dominosteine führte einer zum anderen. Morrigan folgte dem sich windenden Muster durch den Usgaran und in einen Tunnel, den sie als den Hauptweg durch die Höhle in Oklahoma wiedererkannte. Sie ging nah an der Wand, damit ihre Fingerspitzen konstant über den Stein streichen konnten. Sie war erstaunt, wie diese beiden Orte in zwei unterschiedlichen Welten so ähnlich und doch so verschieden sein konnten. Es war, als wäre die Höhle in Oklahoma der schäbige, unterentwickelte Schatten dieser wunderschönen unterirdischen Kreation. Da kam die Frage auf, ob das auch für die Menschen galt, die einander in beiden Welten spiegelten. Und wenn ja, was war sie und was war Myrna gewesen? Die schäbige oder die wundervolle Version? Sie fürchtete zu wissen, was Birkita dazu sagen würde.
Die alte Frau versteht das nicht.
„Genau!“, sagte Morrigan als Antwort auf das Geflüster in ihrem Kopf. Das brachte ihr einige seltsame Blicke von drei Arbeitern ein, die in dem Moment an ihr vorbeigingen. Sie räusperte sich, hustete und eilte weiter den Tunnel entlang, wobei sie darauf achtete, den Kristallen zu folgen. Sie führten sie zu einem schmaleren Tunnel, der zur Rechten abbog – und den es in Oklahoma definitiv nicht gegeben hatte. Morrigan fielen die Spuren in der Mitte des Weges auf. Es sah aus, als wäre ein Miniaturzug durch die Höhle gefahren. Kurz darauf erhielt sie die Erklärung. Bei dem Fahrzeug handelte es sich um eine Art Pritschenwagen, auf dem dicke Klumpen eines weißen, marmorähnlich aussehenden Steins lagen. Er wurde von mehreren kräftigen Männern an ihr vorbeigezogen. Morrigan erwiderte ihren Gruß mit einem kurzen Hallo. Huh . Auf diese Weise schienen die Sidetha die Steine aus der Tiefe an die Erdoberfläche zu bringen.
Der Tunnel machte eine S-förmige Kurve und fiel danach so steil ab, dass sie sich nach hinten lehnen musste, um das Gleichgewicht zu halten. Hier standen die offenen Feuer, die den Tunnel erhellten, nicht auf verzierten Säulen, sondern sie brannten in kleinen, in die Wände gemeißelten Steinbecken oder in Kohlebecken, die an dickenKetten von der Decke hingen. Je weiter sie hinabstieg, desto weniger Menschen traf sie und desto mehr begaben sich ihre Gedanken auf Wanderschaft.
Was Birkita heute zu ihr gesagt hatte, erinnerte Morrigan stark an die Diskussionen, die sie im Laufe der Jahre mit ihren Großeltern gehabt hatte. Sicher, sie waren als Eltern toll gewesen. Sie hatten sie geliebt und versucht, sie zu verstehen, aber in Wahrheit waren sie alt. Wirklich alt. Sie hatte immer versucht, ihrer Großmutter klarzumachen, dass sie nicht „leicht“ oder „kess“ (Grandmas Worte) wirkte, wenn sie einen kurzen Jeansrock trug – das war einfach gerade in Mode. Manchmal hatte Morrigan den Streit gewonnen, aber nur vorübergehend. Die Schlacht gewann immer Grandma. Hauptsächlich, weil G-pa ihr zur Seite sprang. Morrigan konnte ihn förmlich hören. „Morgie, du kannst dich gerne in deiner Zeit wie ein Dummkopf benehmen.“ Und mit „deiner Zeit“ meinte er morbiderweise, nachdem sie beide gestorben waren.
Je weiter Morrigan in die Höhle hineinging, desto mehr entspannte sie sich. Die Erinnerung an ihre Großeltern ließ sie lächeln, und das letzte bisschen Anspannung wich aus ihrem Körper. Bitte, lass es meinen Großeltern gut gehen. Lass sie nicht zu traurig sein, dass ich fort bin. Morrigan schickte ihr stilles, tief empfundenes Gebet in die Höhle und hoffte, dass es Adsagsona erreichte und dass die Göttin irgendwie in der Lage wäre, ihre Großeltern zu trösten.
Ihr war etwas leichter zumute, und so entschied Morrigan, dass der Streit mit Birkita nicht so schlimm gewesen war. Es handelte sich um ein ganz normales Generationenproblem und war nichts, worüber man sich Sorgen machen musste.
Sie blinzelte und stellte überrascht fest, dass sie an dem Durchgang vorbeigegangen war, den die
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