Gekroent
die königinnengleiche Frau beobachtete, je mehr fiel ihr auf, wie hochmütig sie und ihr Gefährte sich benahmen. Es lag nicht in dem, was sie sagten. Es war mehr, wie sie sich gaben – wie sie nach mehr Speisen und Getränken verlangten, wie sie sich von allen anderen abzusetzen schienen, sogar von ihr und Birkita, die ihnen am nächsten saßen. Die Unterhaltung um sie berührte die beiden nicht, und Morrigan stellte sich vor, dass sie vom Rest der Menschen durch eine durchsichtige, aber eisige Wand getrennt waren. Offensichtlich wurden sie respektiert, aber ihr Bauchgefühl verriet ihr, dass man die beiden nicht mochte. Also warum sollte sie sich schlecht fühlen, weil sie sich ihnen entgegengestellt und sie sogar ein wenig eingeschüchtert hatte? Nein, das sollte sie nicht. Das würde sie nicht. Sie würde einfach ihr Abendessen zu sich nehmen und …
Morrigan bemerkte, dass Shayla sie mit ihren kalten blauen Augen intensiv musterte. Irgendetwas am Blick von Sidethas Herrin verursachte ihr ein unangenehmes Gefühl. Sie zwang sich, Shayla ein freundliches Lächeln zu schenken.
„Ihr seht irgendwie vertraut aus.“ Shayla schlug einen lockeren, ungezwungenen Ton an, der im totalen Widerspruch zum scharfen Ausdruck in ihren Augen stand. „Seid Ihr vielleicht im Tempel der Musen unterrichtet worden?“
„Unsere Herrin ist im Tempel der Musen unterrichtet worden. Es ist ungewöhnlich für eine Sidetha, die Höhlen für eine so lange Zeit zu verlassen, aber Shayla ist eine ungewöhnliche Frau, genau wie unsere Tochter, Geally. Sie folgt der Tradition ihrer Mutter und hält sich nun im dritten Jahr ihrer Ausbildung bei den Musen auf“, sagte Perth. Er tätschelte die Hand seiner Frau in einer Geste, die liebevoll ausgesehen hätte, wenn Morrigan nicht in diesem Moment in Shaylas Augen geschaut und den Ausdruck von Abneigung erkannthätte, der schnell über ihr Gesicht huschte.
„Oh nein, ich bin niemals im Tempel der Musen gewesen.“ Morrigan fragte sich, was wirklich in dieser Ehe vor sich ging (nicht, dass es sie irgendwie zu interessieren hatte). Hastig fügte sie hinzu: „Aber Glückwunsch zu Ihrer Ausbildung bei den Musen.“ Was auch immer das bedeutete.
„Ihr seid natürlich keine Sidetha, aber habt Ihr unsere Höhlen zuvor schon einmal besucht?“, fragte Shayla. Mit einer flatternden kleinen Bewegung entzog sie ihrem Mann ihre Hand.
„Nein, ich war noch nie hier.“ Morrigan warf Birkita einen Blick zu, aber die ältere Frau vermied jeglichen Blickkontakt. Morrigan nahm an, sie hatte den Leuten erzählt, dass sie durch den Findling gekommen war, oder? Sie fühlte sich unbehaglich bei dem Gedanken, erklären zu müssen, dass sie aus einer anderen Welt kam, aber ganz sicher hatte sie nicht vorgeben wollen, einfach durch die Vordertür in die Höhle marschiert zu sein. Zum Teufel, sie wusste ja nicht einmal, ob diese Höhle überhaupt eine Vordertür hatte.
„Seltsam, dass Ihr so vertraut ausseht …“ Shayla widmete sich wieder ihrem Teller, aber Morrigan spürte die konstanten Blicke, die sie ihr aus dem Augenwinkel zuwarf.
„Ich mag sie nicht. Sie verursachen mir ein merkwürdiges Gefühl“, flüsterte sie Birkita zu. Als die ältere Frau blass wurde, schlug Morrigan einen leichteren Ton an und sagte: „Aber ich mag Brina.“ Sie steckte der großen Katze ein Stück von etwas zu, das aussah und schmeckte wie gebratenes Hühnchen.
Birkita wirkte erleichtert über den Themenwechseln, und Morrigan musste zugeben, dass auch sie froh war über die Wendung des Gesprächs.
Zwischen zwei Bissen Hühnchen sagte Birkita: „Ihr wisst vermutlich, Mylady, dass Brina in der alten Sprache Beschützerin heißt.“
Sie lächelte die Katze an, die sich mit halb geschlossenen Lidern quer über Morrigans Füße ausgestreckt hatte und leise schnurrte.
„Brina hat lange Zeit den Usgaran beschützt, war aber keiner der Priesterinnen je besonders zugetan. Bis heute. Jetzt scheint es so, als wolle sie Sie gemeinsam mit dem Usgaran beschützen.“
„Brina ist ganz erstaunlich“, sagte Morrigan mit vollem Mund und kitzelte die Katze am Kopf. „Birkita, du hast den Usgaran erwähnt. Was ist das?“ Sie erinnerte sich daran, dass Birkita das Wort benutzt hatte, aber sie hatte keine Ahnung, was es bedeutete.
Bevor Birkita etwas erwidern konnte, schaltete sich Shayla ein. Ihre Stimme klang viel zu süß und seidig. „Wie kommt es, dass eine Hohepriesterin der Adsagsona den Usgaran nicht kennt?“
Birkita
Weitere Kostenlose Bücher