Gekroent
ihre leuchtende Haut ausgesehen hatte und wie schön die Kristalle gestrahlt hatten. Alle waren aufgeregt und glücklich.
Morrigan kam es so vor, als wäre die Große Halle mit der Liebe der Göttin erfüllt, in der sich alle sonnten. Daher wirkte Shaylas übermäßig nüchterne Stimme wie ein Eimer kaltes Wasser auf die gute Stimmung, als sie sagte: „Falls Ihr nicht zu beschäftigt seid, Hohepriesterin, wäre es sehr freundlich von Euch, wenn Ihr uns begleitet, um unsere Gäste zu begrüßen.“
Den Mund voll mit Käse und Fleisch, schaute Morrigan auf und sah Shayla und Perth vor dem Tisch stehen. Ihre Kleidung war so fein wie Morrigans Robe. Shayla trug um den Kopf ein breites Goldband, das wie eine Krone aussah. Morrigan schluckte, wischte sich den Mund ab und versuchte, eine einigermaßen gut gelaunte Antwort zu geben.
„Sicher, ich begleite Sie gerne. Kein Problem.“ Sie schenkte den Menschen an ihrem Tisch ein schmallippiges Lächeln. „Entschuldigt mich bitte, mir scheint, die Pflicht ruft.“ Morrigan stand auf und winkte Birkita. „Und zwar uns beide.“
„Es ist üblich, dass unsere bedeutenden Gäste von der Hohepriesterin begrüßt werden, nicht von einer ehemaligen Priesterin“, sagte Shayla, ohne Birkita eines Blickes zu würdigen.
Morrigan erwiderte den kühlen Blick und sagte mit sachlicherStimme: „Haben Sie noch nie etwas von Ausbildung am Arbeitsplatz gehört?“
Die Herrin blinzelte überrascht, erholte sich aber schnell.
„Ausbildung?“ Sie lachte humorlos auf. „Entschuldigt mich, Hohepriesterin “, sie schaffte es, den Titel klingen zu lassen wie den Kosenamen für ein Baby, „aber ich dachte, Eure Position sei eine Berufung und nicht nur schnöder Beruf.“
„Umgangssprache“, sagte Morrigan kurz angebunden. „Wo ich herkomme, kann ein Beruf durchaus eine Berufung sein. Mein Großvater zum Beispiel. Er war ein Trainer und ein Lehrer – ein Mann, der Geist und Körper von jungen Männern geformt und sie auf das Leben vorbereitet hat. Er nannte es seinen Beruf. Das war es auch, aber zugleich war es seine Berufung. Ich komme aus einem anderen Land, Shayla, aber nur weil einige meiner Begriffe anders sind, heißt das nicht, dass das ihnen innewohnende Gefühl verkehrt ist.“
„Wie wahr.“ Shayla schniefte. „Trotzdem, es gehört nicht zu unserer Tradition, Gäste von einer ganzen Entourage an Priesterinnen begrüßen zu lassen.“
„Ja“, schaltete sich nun auch Perth ein. „Sie könnten glauben, die Sidetha wären irgendeiner Art religiösem Eifer verfallen.“
„Ah, wieder Umgangssprache. Wo ich herkomme, ist religiöser Eifer durchaus eine gute Sache. Und Traditionen? Ich denke, damit habe ich heute bereits gebrochen. In Oklahoma entblößt sich die Hohepriesterin während eines Rituals vor der Göttin. Also habe ich mich auch dieses Teils hier entledigt.“ Morrigan berührte das Cape, das inzwischen ihre Blöße bedeckte, und kreuzte innerlich die Finger. Es war ja nicht ganz gelogen. G-ma hatte ihr von Freundinnen erzählt, die Wiccaner waren und ihre Rituale auch nackt durchführten. Sie hatte die Wahrheit also nur ein kleines bisschen gedehnt. Obwohl Shayla sie weiter böse anfunkelte, nahm Morrigan Birkitas Hand. „Ich bin bereit. Wir sollten unsere Gäste vermutlich nicht warten lassen.“
Ohne ein weiteres Wort drehte Shayla ihr den Rücken zu und rauschte aus der Großen Halle. Perth beeilte sich, mit ihr Schritt zu halten.
„Das könnte interessant werden“, murmelte Morrigan. Gemeinsam mit Birkita folgte sie dem königlichen Paar.
„Bringt Shayla nicht so gegen Euch auf, Kind. Sie ist eine gefährlicheFeindin“, flüsterte Birkita.
„Mach dir keine Sorgen, Birkita. Ich bin selbst ein bisschen gefährlich. Außerdem hat Adsagsona mir gesagt, ich soll meinen Instinkten folgen, und mein Bauchgefühl sagt mir, dass ich dich an meiner Seite brauche.“
„Vielleicht findet Ihr einen Weg, Euren Instinkten etwas umsichtiger zu folgen?“
Morrigan legte ihr einen Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich. „Ich bin achtzehn. Nichts, was ich tue, ist umsichtig.“
Birkita seufzte. „Das ist es ja, was mir solche Sorgen macht.“
Morrigan erwiderte nichts. Inzwischen waren zu viele Menschen zu ihnen gestoßen, sodass sie keine private Unterhaltung führen konnten. Außerdem brachte ihre Neugierde sie fast um. Sie erkannte den Weg wieder, der sich leicht nach oben schlängelte. In Oklahoma führte er zum Eingang der Höhle.
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