Gekroent
Natürlich war der Weg in Partholon sauber und wunderschön dekoriert – und es gab mehrere Tunnel, die rechts und links vom Hauptweg abzweigten. Die hatte es in ihrer alten Welt definitiv nicht gegeben. Doch der generelle Grundriss war ähnlich genug, dass Morrigan glaubte, auch allein den Weg an die Oberfläche finden zu können (und zwar ohne die Kristalle um Hilfe zu bitten). Es dauerte nicht lange, da sah sie die rechteckige Öffnung, die den Eingang zur Höhle bildete. Große Fackeln und offene Kohlefeuer erleuchteten den Bereich. Über den Köpfen der versammelten Männer konnte sie einen Blick auf den Nachthimmel werfen, an dem zwar kein Mond zu sehen war, an dem aber ein Meer von Sternen funkelte.
„Kommt“, flüsterte Birkita ihr zu. „Ihr solltet neben dem Meister und der Herrin stehen, damit Ihr die Gäste nach Shayla und Perth im Namen von Adsagsona begrüßen könnt.“
„Das ist alles? Ich muss sie nur begrüßen?“
Birkita nickte. „Heißt sie in Adsagsonas Namen willkommen. Die Tradition besagt, dass von der Hohepriesterin auch erwartet wird, das Brot mit ihnen zu brechen und dafür zu sorgen, dass sie gut versorgt werden, aber mit dieser Tradition hat Shayla schon vor Jahren gebrochen.“
„Okay, also begrüße ich sie und kümmere mich dann wieder um meinen Kram. Gut. Lass nicht los.“ Birkitas Hand fest in ihrer haltend, suchte Morrigan sich einen Weg durch die Menge, bis sie beideschließlich am Eingang auftauchten wie zwei Korken auf einem turbulenten Teich. Morrigan eilte dorthin, wo Shayla und Perth standen. Birkita folgte ihr auf dem Fuß. Perth sprach bereits mit jemandem, der sich gerade außerhalb von Morrigans Blickfeld befand.
„Steinmeister Kai, wir fühlen uns wie immer geehrt durch Euren Besuch.“
„Gleiches gilt für Kegan Dhiannon. Wir sind gleichzeitig überrascht und höchst erfreut über den Besuch von Partholons neu berufenem Meisterbildhauer“, sagte Shayla.
Morrigan versuchte ihr Möglichstes, um bei Shaylas süßlichem Ton nicht die Augen zu verdrehen. Die Frau hatte echte Probleme. Sie spürte, dass sie nun an der Reihe war und strich ihr Haar glatt. Dann hob sie das Kinn und trat einen Schritt vor, um ihren Teil zur Begrüßung beizutragen.
Sie erstarrte und konnte nicht atmen. Sie konnte nicht denken. Sie konnte sich nicht bewegen. Vor ihr standen ein distinguiert aussehender Mann mittleren Alters und Kyle. Oder zumindest die obere Hälfte von Kyle. Seine untere Hälfte war ein Pferd !
Ein erstickter Schrei entrang sich ihrer Kehle, und schnell schloss Morrigan den Mund. Doch das Geräusch hatte die Aufmerksamkeit der Anwesenden geweckt, und sie sah, wie ein schockierter Ausdruck über die Gesichter der Männer huschte.
„Steinmeister Kai, Meisterbildhauer Kegan, erlaubt mir, Euch unsere neue Hohepriesterin und Lichtbringerin Morrigan vorzustellen.“ Birkita war rasch neben sie getreten.
„Morrigan?“
„Eine Lichtbringerin?“
Die beiden Männer sprachen gleichzeitig. Ihren Gesichtern war keine Regung anzusehen, aber sie starrten sie immer noch an. Morrigan konnte auch Shaylas scharfen Blick auf sich gerichtet fühlen, genau wie die neugierigen Blicke der Sidetha.
„Priesterin?“, drängte Birkita.
„Hallo. Adsagsona heißt Euch im Reich der Sidetha willkommen“, brachte Morrigan mit einer Stimme heraus, die weitaus ruhiger klang, als sie sich fühlte. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Birkita knickste und zur Seite trat. Morrigan hatte kein Gefühl für ihren Körper, schaffte es aber trotzdem irgendwie, die Geste der alten Priesterin nachzuahmen.
Ein paar schreckliche Sekunden lang dachte sie, dass die beiden Männer nie mehr aufhören würden, sie anzustarren, aber Shaylas gebieterische Stimme brach den Bann.
„Kommt, werte Gäste. Eure Reise von Eponas Tempel zu uns war lang. Speisen und Getränke und ein weiches Bett erwarten Euch.“
„Seid bedankt“, sagte der Mann, den Shayla und Birkita mit Kai angesprochen hatten. Mit offensichtlicher Anstrengung hörte er auf, sie mit seinen Blicken zu verfolgen und stieg vom Pferd. „Die Gastfreundschaft der Sidetha wird wohlgeschätzt.“
„Wie wahr“, stimmte Kyle, der Pferdemann, zu. (Der ganz offensichtlich nicht absteigen musste, weil er ja selbst das Pferd war. Bei dem Gedanken musste Morrigan ihre Lippen fest zusammenpressen, weil ein hysterisches Lachen ihrem Mund zu entschlüpfen drohte.)
Hastig und so still wie möglich trat sie ein paar Schritte zurück und wünschte
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