Gekroent
schmutzig er aussah. Mehrere Strähnen seines langen braunen Haars hatten sich aus dem Band gelöst, mit dem er es zurückhielt. Sein Kleidung – Lederhoseund ein schlichtes weißes Hemd, dazu ein reich verzierter Ledermantel – hatte Flecken und sah von der Reise zerknautscht aus. Unter seinen Augen lagen müde Schatten, und sein Gesicht durchzogen tiefe Falten. Das hieß nicht, dass er kein attraktiver Mann war – denn das war er, sogar für jemanden seines Alters. Er hatte breite Schultern, ein kantiges Kinn und ein freundliches Gesicht. Er sah aber sehr müde und traurig aus, und Morrigan fragte sich, was mit ihm los war. Endlich war es in der Großen Halle still und alle Aufmerksamkeit richtete sich auf den Steinmeister.
„Eure Herrin fragt, wieso der Meisterbildhauer und ich in solcher Eile hierhergereist sind. Wir sind da, weil wir damit beauftragt wurden, Marmor auszuwählen und aus ihm eine Statue zu hauen von einem Menschen, der Partholon sehr am Herzen gelegen hat.“
Besorgtes Raunen erhob sich im Saal, aber Kais erhobene Hand brachte die Menschen sofort zum Schweigen.
„Vor sieben Tagen ist Myrna, die Tochter von Eponas Auserwählter Rhiannon, bei der Geburt ihrer Tochter gestorben. Das Kind lebt. Ich glaube, dieses Baby ist alles, was Rhiannon noch an diese Erde bindet.“ Er verstummte und kämpfte offensichtlich darum, seine Fassung zu bewahren.
Morrigan hatte das Gefühl, als hätte ihr jemand in den Magen geboxt. Myrna war tot. Myrna. Shannons Tochter – die Person, die sie hätte sein können, die sie vielleicht sogar sein sollte. Shannons Tochter hätte ihr Leben leben sollen und bei ihren sie liebenden Großeltern aufwachsen sollen. Sie war tot.
Dann traf sie ein weiterer Schlag. Myrna war vor sieben Tagen gestorben! Es war genau sieben Tage her, dass sie durch den Selenitbrocken nach Partholon gekommen war. Morrigan schlang die Arme um ihren Oberkörper. Ihr war auf einmal eiskalt.
Kai fuhr fort: „Partholons Hohepriesterin ist in tiefer Trauer, und auch wenn der Scheiterhaufen entzündet worden und die Totenbahre für Myrna verbrannt worden ist, bat sie darum, dass eine Nachbildung ihres geliebten Kindes angefertigt werde, um ihre Asche darin aufzubewahren und als Denkmal an sie zu dienen. Das ist unsere traurige Aufgabe.“ Kai neigte seinen Kopf leicht in Shaylas Richtung.
Von seinem Platz am Tisch ergriff nun Kegan das Wort. „Lady Rhiannon bittet darum, dass ich bei den Sidetha bleiben darf, bisich die Statue aus dem Stein geschlagen habe. Darum bitte ich Euch, Herrin Shayla“, er verbeugte sich leicht in Perth’ Richtung, „und Euch, Meister Perth.“
„Kegan, natürlich könnt Ihr bei uns bleiben, bis Eure Aufgabe erfüllt ist“, sagte Shayla, dann eilte sie die Stufen hinauf und ergriff Kais Hand. „Ich weiß, wie nahe ihr Eponas Auserwählter und ihrer Familie steht. Euer Verlust tut mir sehr leid.“
Perth stand auf und fiel in die sehr öffentliche Beileidsbekundung seiner Frau ein. Birkita legte einen Arm um Morrigans Taille. „Geht es Euch gut, Kind?“
Morrigan lehnte sich gegen die ältere Frau; sie brauchte ihre Nähe und ihren Trost. „Nein“, flüsterte sie. „Nein, mir geht es nicht gut. Es war an dem Tag, an dem ich hierhergekommen bin, oder? An dem Tag ist sie gestorben.“
„Ja.“
„Was geschieht hier? Ich verstehe nicht, was hier los ist“, flüsterte Morrigan panisch.
„Nicht hier, Kind.“
Morrigan presste die Lippen zusammen, trotz der Fragen, die durch ihren Kopf schwirrten. Birkita hatte recht. Sie musste sich zusammenreißen.
Sie spürte seinen Blick, bevor er sie ansprach.
„Vielleicht wollt Ihr zu Eurer Göttin beten und sie bitten, dass Myrnas Seelenreise zu Eponas Weiden schnell und schmerzlos verläuft?“, fragte Kegan.
Morrigan sah den Zentaur an. „Ja, natürlich werde ich das.“
„Danke, Hohepriesterin.“
Obwohl sein Lächeln von Trauer überschattet war, merkte sie, wie sie darauf reagierte. Seine menschliche Hälfte sah so sehr aus wie Kyle! So wie er sich hingesetzt hatte, konnte sie nur seinen menschlichen Oberkörper sehen. Der war muskulös und beinahe nackt, denn die kleine Lederweste, die er trug, bedeckte nicht viel von seiner golden schimmernden Haut. Genau wie Kyle war Kegan so blond, dass sein dichtes Haar beinahe golden wirkte. Seine Haut war allerdings gebräunter als die seines menschlichen Spiegelbilds, das ließ ihn gesünder und noch attraktiver aussehen.
Überrascht merkte Morrigan, dass sie
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