Gelassen durch die Trotzphase
Schreien.
Welche Möglichkeiten haben Sie als Eltern, mit Ihrem kleinen Widerstandskämpfer umzugehen? Schnell passiert es, dass Sie mit im »Gewitter« landen und auf diese Weise dazu beitragen, dass die Situation eskaliert. Die folgenden »typischen« Erlebnisse von Eltern mit ihren Kindern ab drei Jahren, die mir in meiner Praxis geschildert wurden, zeigen, wie es oft läuft, wenn es schiefläuft. Wie es besser gehen kann, lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Paula (3½ Jahre) war richtig sauer. Weil sie irgendetwas nicht durfte, hatte sie aus Wut in die Hose gemacht und verlangte nun in einem fordernden, unangemessenen Tonfall, dass ihre Mutter sie sofort in ihr Zimmer tragen und umziehen solle. Paulas Mutter blieb ruhig und sagte sachlich: »Rede bitte freundlich mit mir.« Aber Paula fing an zu quengeln und zu schreien. Ihre Mama blieb immer noch ruhig. Mehrmals wiederholte sie: »Ich möchte, dass du freundlich mit mir redest. Mit diesem Tonfall bin ich nicht einverstanden.« Paula schrie weiter. Nun erhob auch Paulas Mutter genervt ihre Stimme: »Warum schreist du so? Hast du immer noch nicht begriffen: Solange du so herumknatschst, mache ich gar nichts für dich. Wenn du willst, dass ich dir helfe, musst du dich erst einmal anständig benehmen.« Paulas Reaktion darauf fiel sehr laut und wütend aus: »Nie hilfst du mir! Du bist eine blöde Mama! Du bist so gemein!« Das war zu viel für Paulas Mama. Nun schrie auch sie: »Wenn du jetzt nicht endlich damit aufhörst, wirst du schon sehen, was du davon hast! Dann bringe ich dich in dein Zimmer und mache die Tür zu!« Auch das half überhaupt nicht. Schließlich packte Paulas Mutter ihre Tochter und zerrte sie wie angekündigt ins Kinderzimmer. Paula brüllte dort noch eine Weile weiter. Dann beruhigte sie sich und zog sich selbst trockene Sachen an. Das Ganze hatte sich mehr als eine viertel Stunde hingezogen.
Was ist zwischen Paula und ihrer Mama passiert? Schauen wir uns noch einmal genauer an, wie die Situation eskaliert ist.
Kommt Ihnen die Situation zwischen Paula und ihrer Mama bekannt vor? Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich wie Paulas Mutter. Sie erlebt solche Auseinandersetzungen mehrmals täglich. Am Ende hat sie jedes Mal ein ungutes Gefühl. Sie ist sehr erschöpft und macht sich Vorwürfe, weil sich alles wieder so aufgeschaukelt hat. Paula ist auch erschöpft. In der ganzen Zeit, bevor etwas Wirkungsvolles passiert, bekommt sie viel Aufmerksamkeit für ihr unangebrachtes Verhalten. Zuletzt setzt sich ihre Mutter zwar durch, aber es gibt keine Gewinner.
Es ist ein Irrtum zu glauben: »Wenn kurzes Reden nicht hilft, muss ich eben länger reden.« Denn Kinder im Trotzalter denken: »Liebe Eltern, ich habe gehört, was ihr sagt. Aber ich will mal wissen, was ihr tut, wenn ich es einfach nicht mache. Das ist total spannend.« Lange Appelle, Erklärungen und Diskussionen führen selten zum gewünschten Ergebnis, sondern sie ermutigen eher zum Testen: »Und wenn ich es trotzdem nicht mache? Was dann wohl passiert?« Willensstarke Kinder wie Paula hätten bei »Jugend forscht« einen Preis verdient, weil sie hartnäckig immer wieder erproben, wie weit sie gehen können und was sie alles erreichen können.
Tipp: Zügig handeln
Lange Kämpfe und Diskussionen können ersatzlos gestrichen werden! Auch wenn Sie sich am Ende durchsetzen: Der Preis ist zu hoch, denn es kostet Nerven und Zeit – vor allem schöne Zeit miteinander.
Nachgeben kann »teuer« werden ...
Manchmal hat Paulas Mama in Situationen wie der beschriebenen einfach nicht mehr genug Kraft, um am Ende konsequent zu handeln. Dann gibt sie nach mehr oder weniger langem Kampf genervt nach. So bekommt Paula nach langem Schreien, Ignorieren, Diskutieren und Beschimpfen doch noch ihren Willen: Mama trägt sie in ihr Zimmer und zieht sie um, als ob sie ein Baby wäre – so wie Paula es von Anfang an verlangt hat.
Willensstarke Kinder wie Paula erleben oft, dass ihre Eltern genervt nachgeben. Das hat Folgen. Es ermutigt dazu, immer weiter zu testen. Wenn die Eltern zwar viel reden, aber selten oder gar nicht handeln, lernt ihr Kind daraus, dass sich respektloses Reden, Schimpfen und Wutanfälle auszahlen. Dass es so erreichen kann, was es sich in den Kopf gesetzt hat. Dass es über andere bestimmen kann und bekommt, was es will – alles Erkenntnisse, die für die Entwicklung eines Kindes zwischen drei und sechs Jahren nicht gut sind. Denn es ist nicht das, was es wirklich braucht.
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