Gelassen durch die Trotzphase
nichts. Alles Gelernte scheint vergessen.
Timo gehörte zu den Kindern, bei denen im Alter von drei Jahren nicht alles vorbei war. Mit fast fünf Jahren hatte er immer noch mehrmals am Tag Wutanfälle. Die Anlässe waren unvorhersehbar. Meist ging es um Kleinigkeiten: Wenn er sich morgens anziehen sollte, wenn er das Geschirr vom Tisch abräumen oder seine Spielsachen wegräumen sollte, wenn er bei einem Spiel nicht bestimmen durfte oder zu verlieren drohte: Timo fing an zu schreien und zu toben und seine Eltern und seine kleine Schwester zu beschimpfen.
Gleich wird etwas durch die Luft fliegen ...
Eine besondere Art, die Welt zu sehen
Das »jetzt« wird bei impulsiven Kindern wie Timo ganz groß geschrieben, Vergangenheit und Zukunft dagegen ganz klein:
An später denken? Bloß nicht. Ich will jetzt tun, was ich will.
Warten? Erst denken, dann handeln? Das dauert mir viel zu lange: Ich will lieber draufloshandeln. Nachgedacht wird hinterher – wenn überhaupt.
Das »ich« steht bei impulsiven Kindern sehr stark im Vordergrund. Die anderen Menschen bleiben im Hintergrund:
Anderen etwas gönnen? Auf keinen Fall! Ich muss gewinnen und immer Erster sein.
Aus Fehlern lernen? Wie umständlich! Im Zweifelsfall sind immer die anderen schuld.
Für Kinder unter drei Jahren ist diese Sichtweise noch ganz normal. Aber je älter sie werden, desto mehr fallen die impulsiven Kinder auf. Dabei sind sie genauso klug wie die anderen: Auch sie können sich in andere hineinversetzen, Rücksicht nehmen, warten, planen, sich selbst motivieren. Aber meist tun sie es nicht. Viel häufiger flippen sie wegen Nichtigkeiten aus, haben Wutanfälle wie Zweijährige, wollen mit dem Kopf durch die Wand und landen dabei immer wieder in irgendeinem Fettnäpfchen.
Tipp: Schnell reagieren
Bei impulsiven Kindern kommt man ohne Auszeiten nicht klar. Ihre heftigen Reaktionen erfordern eine zügige, wirksame Konsequenz.
Gaspedal und Bremse
Bei kleinen »Langzeit-Trotzköpfen« ist sozusagen das Gaspedal immer durchgetreten, aber die Bremse funktioniert nicht richtig. Das hat manchmal durchaus Vorteile: An Energie, Schlagfertigkeit, Originalität und Kreativität sind impulsive Kinder kaum zu überbieten. Aber oft schafft es Probleme: Mit durchgetretenem Gaspedal fliegt man schon mal aus der Kurve. Würde die Bremse funktionieren, könnten die Kinder in vielen Situationen erst einmal innehalten und ein kurzes Selbstgespräch führen: »Was ist hier los? Habe ich so was schon mal erlebt? Was tue ich jetzt besser nicht? Was könnte stattdessen klappen?«
Ohne funktionierende Bremse geht das schief. Impulsive Kinder bleiben in der »Ich-will-Kiste« stecken. Die Eltern müssen sie dort herausholen: »Was du jetzt willst, geht leider im Moment nicht!« Impulsive Kinder reagieren darauf sehr ungehalten: Sie werden wütend und treten ein heftiges Gewitter los – das widerspenstige, oppositionelle Verhalten nimmt seinen Lauf. Die Unberechenbarkeit, Häufigkeit und Heftigkeit der »kleinkindhaften« Wutanfälle macht den Eltern ebenso zu schaffen wie die Dauer.
Verlieren Sie nicht den Mut, wenn auch Ihr Kind noch sehr impulsiv ist. Auch wenn es keine große Begabung zum »Bremsen« hat: Wenn Sie mit Geduld und Konsequenz an seiner Seite sind, kann es nach und nach immer besser lernen, sich zu kontrollieren.
BEGABTE UND UNBEGABTE »BREMSER«
Alle Kinder zwischen drei und sechs Jahren verlieren ab und zu die Kontrolle und »flippen aus«. Aber bei einigen nimmt es extreme Formen an. Warum funktioniert die innere Bremse nicht bei allen Kindern gleich gut? Die Antwort ist simpel: Nichts funktioniert bei allen Menschen gleich gut. Räumliche Auffassungsgabe, musikalisches Gehör, mathematisches Verständnis, Ballgefühl – alle Begabungen sind ungleich verteilt. Das scheint bei der Fähigkeit zum Innehalten und Regulieren von Reaktionen ebenso der Fall zu sein. Wissenschaftler haben herausgefunden, wo und wie im menschlichen Gehirn impulsive Reaktionen unterdrückt und innere Selbstgespräche gesteuert werden. Dieser Gehirnbereich funktioniert bei jedem anders. Je aktiver die »Bremszentrale« ist, desto besser klappt die Selbstkontrolle. Es gibt also mehr und weniger begabte »Bremser« – von Geburt an.
Rollenspiele für impulsive Kinder
Bei Frust und Ärger ruhig zu bleiben ist für impulsive Kinder besonders schwierig. Um es zu üben, sind kleine Rollenspiele bestens geeignet. Im Spiel kann Ihr Kind handfeste Erfahrungen sammeln – das ist
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