Gelassene Eltern - starke und glueckliche Kinder - Eine Recherche wie das Leben mit Kindern gelingt
Jugendliche radikal gleichaltrigen Freunden zuwenden. In ihrer Mitte suchen sie das, wonach sie sich sehnen: Respekt, Verständnis, Solidarität, Liebe. Gute Freunde sind dann der Schlüssel zu ihrem Lebensglück und nichts trifft sie härter als Schikanen in ihrem Freundeskreis oder auch in der Schulklasse.
Deshalb haben Jugendliche in dieser Phase zwei Kernprobleme:
• Wie dogge ich bei anderen an?
• Wie komme ich an?
Das dominiert ihr Seelenleben und selbst schulisches Lernen wird zur Nebensache. Ich denke, schulischer Erfolg kann sich nur dann einstellen, wenn sich Jugendliche in ihrem Umfeld wohlfühlen. Das müssen Lehrer wissen.
Eine Schülerin, die an der Realschule scheiterte, meinte auf meine Frage hin, was das Problem war: „Der Zickenkrieg an der Mädchen-Realschule war so groß. Ich konnte gar nicht lernen.“
Eine Tatsache ist tröstlich: 80 Prozent aller Jugendlichen kommen ohne größere Komplikationen durch die Pubertät, nur ein bis drei Prozent leiden unter Pubertätsexzessen, die mit Kleinkriminalität, übermäßigem Drogenkonsum und Depressionen einhergehen. Jungen leiden weniger unter den körperlichen Veränderungen als Mädchen, im Gegenteil, viele entwickeln ein fast narzisstisches Selbstbild angesichts ihrer breiten Schultern und den wachsenden Muskeln. Das entspricht ja dem männlichen Schönheitsideal. Manche Mädchen bekommen ein Problem mit ihrem Körpergewicht. So empfindet sich jedes zweite Mädchen zwischen 13 und 14 Jahren als zu dick. 30 Prozent der Zehnjährigen haben eine Diät hinter sich und 15 Prozent der 15-Jährigen.
Früher dachte ich, die Pubertät sei vor allem die Phase der hormonellen Veränderungen der Kinder. Dann musste ich erkennen, dass dies nur einer von drei Faktoren ist. Die Wissenschaftsredakteurin Barbara Strauch schreibt in ihrem Buch „Warum sie so seltsam sind“:
„Letztlich müssen wir uns die drei Faktoren Hormone, Gehirnstruktur und Psyche wie Zutaten einer Backmischung vorstellen, die zusammengerührt und in den Ofen geschoben werden und dort über die Pubertät hinweg überhitzt miteinander reagieren!“
Sie führt im Einzelnen aus, dass sich die Emotionen der Jugendlichen auf und ab bewegen wie beim Trampolinspringen. Den Eltern kommt dabei die Rolle des Sprungtuchs zu. Eltern werden zu Spielfiguren für Wut und Rebellion. Die jungen Menschen leben nach dem Motto: „Ich provoziere, also bin ich!“
Wie sollen Eltern darauf reagieren?
Zunächst einmal mit Verständnis für ihre Kinder. Mit der Einsicht, dass hinter ihrem Verhalten kein böser Wille steckt und sie nun eine neue Rolle einnehmen müssen. Ihr Kind braucht die Eltern als Sparringspartner bei dem Kampf, eine eigene Position im Leben einzunehmen. Es wäre der größte Fehler, sich in dieser Phase zurückzuziehen. Der Kampf, den Jugendliche ausfechten, um zu sich selbst zu finden, darf nicht ins Leere laufen. Wenn ihr Geschrei, ihre Provokationen, ihr unflätiges Reden und Benehmen nicht auf Widerstand stoßen, den sie dringend zur Orientierung brauchen, suchen sie sich externe Provokationen.
Es fällt Eltern schwer, einzusehen, dass Kinder in dieser Phase kaum zur Verantwortung für ihr Verhalten herangezogen werden können und vernünftige Argumente nicht ziehen. Der Grund ist ein einfacher: Ihre unvollständige Gehirnentwicklung macht ihnen das unmöglich. Ihr Verhalten ist kein böser Wille und keine Frage einer Charakterschwäche. Sie wissen nicht, was sie tun, weil ihr Gehirn einer Baustelle gleicht, an der heftig restauriert wird. Der US-Neurologe Jay Giedd veranschaulicht das mit dem Gleichnis:
„Neurologisch betrachtet gleicht das Verhalten von Jugendlichen
einem vollbesetzen Airbus, der mit vibrierenden Treibwerken
über die Startbahn rast, während im Cockpit noch an Kontrollinstrumenten und Navigationssystem geschraubt wird!“
Früher irrte man im Glauben, mit zwölf Jahren sei die Gehirnentwicklung abgeschlossen. Tatsächlich wächst es später in verschiedenen Schritten weiter. Zunächst entwickeln sich Bewegungssteuerung und Wahrnehmung, anschließend Regionen, in denen sich Sprache und räumliches Vorstellungsvermögen ausprägen. Am längsten dauern Veränderungen des hinter der Stirn befindlichen Präfontallappens. Dieser ist zuständig für Planung, Abwägen von Konsequenzen und Impulskontrolle.
Wie wirkt sich das auf ihr Verhalten aus?
Zunächst einmal bekommen junge Erwachsene Schwierigkeiten, einfachste Botschaften zu
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